Ein Mann der Tat

Prälat Karl Bernert war Generalvikar, Caritasdirekor und Domkapitular. Viele Jahre war er einer der einflussreichsten Männer im Bistum Hildesheim. Am Morgen des 16. März ist er im Hildesheimer
St. Bernward Krankenhaus verstorben. Karl Bernert wurde 87 Jahre alt.
Ein Nachruf von Thomas Hagenhoff, Verleger der KirchenZeitung

Am Ende war sein Schritt unsicher geworden. Wie in Zeitlupe tastete er sich Fuß um Fuß über das Kopfsteinpflaster seines Domhofs, wenn er in der Stadt ein paar Besorgungen zu machen hatte. Für Karl Bernert, der bis ins hohe Alter täglich in aller Herrgottsfrühe über die Hildesheimer Wallanlagen joggte und mit Freunden alljährlich anspruchsvollste Fahrradtouren austüftelte, war das eine schwer erträgliche Zumutung. Ein Grund zur Klage aber war es nie. Wie ihm grundsätzlich jede Larmoyanz abging, und so hatte Karl Bernert für manche Wehleidigkeit, die ihm im kirchlichen Alltag allzu oft begegnete, denn auch höchstens ein mal mitleidiges, mal ärgerliches Kopfschütteln übrig. Ihm hatte das Leben doch schon in jungen Jahren ganz andere Prüfungen auferlegt.

1933 im oberschlesischen Osseg geboren, gehörte Karl Bernert mit seiner Familie zu der halben Million Vertriebenen, die nach dem Krieg die Zahl der Hildesheimer Diözesanen verdreifachte. Und er teilte ihr oft schlimmes Schicksal. Sein Vater wurde während der Flucht vor den Augen von Frau und Kindern erschossen. Ihn selbst und seinen Kinderfreund rettete ein russischer Soldat vor der Erschießung wegen Mundraubs; der kleine Karl hatte den Rotarmisten an seine eigenen Kinder erinnert.

1946 kam Karl Bernert in die Nähe von Peine, ergriff für seine Familie und sich zunächst ganz pragmatisch einen Brotberuf – im wahrsten Sinne des Wortes: Bernert lernte Bäcker und Konditor. Anschließend ging er in den Maschinenbau, aus wiederum unromantischen Motiven: „um Geld zu machen“, so erzählte er später. Und auch, dass er die Berufung zum priesterlichen Amt in diesen Jahren als seine eigentliche Lebensaufgabe zu erkennen begann. Auf der Abendschule holte Bernert 1960 das Abitur nach und studierte Theologie.
Nach seiner Priesterweihe 1966 war er zwei Jahre lang Kaplan in Northeim. Dann wurde er zum Militärpfarrer berufen. Zunächst nach Nienburg, dann als Militärdekan nach Buxtehude.

Als ihn der damalige Bischof Heinrich Maria Janssen 1978 mit der Leitung des Diözesan-Caritasverbandes beauftragte, fand Bernert ein Wirkungsfeld, das seinen Fähigkeiten und Neigungen perfekt entsprach. Hier kamen seine Übersicht, Urteilskraft und Leitungskompetenz ebenso zur Entfaltung wie seine innere Nähe zu den Zukurzgekommenen unserer Gesellschaft. Für seine Caritas und ihre Einrichtungen ging Karl Bernert durch jedes Feuer, scheute keinen Kampf weder mit inneren noch äußeren Opponenten.

Qualitäten, die ihn 18 Jahre später in den Augen des dann amtierenden Bischofs Josef Homeyer für eine wahre Herkulesaufgabe qualifizierten: Als Generalvikar sollte Karl Bernert die maroden Finanzen des Bistums sanieren. Jetzt galt es auch unbequeme Sparentscheidungen durchzusetzen, und Bernerts Leidensfähigkeit und Beharrlichkeit wurden angesichts harter innerer Widerstände über Jahre dauerbeansprucht.

In dieser Zeit brachte Karl Bernert schließlich die „Eckpunkte 2020“ auf den Weg und damit das allererste Strategiepapier, das wirtschaftliche Maßnahmen nicht isoliert betrachtet wissen wollte, sondern inhaltlichen, also theologischen Richtungsentscheidungen zuordnete. Auch wenn in der Praxis mancher Kursvorgabe nicht konsequent gefolgt wurde, gelang es Karl Bernert im Ergebnis, die finanzielle Handlungsfähigkeit des Bistums wiederherzustellen.

Fast zwei Jahre noch amtierte er als Verwaltungsleiter in der Vakanz und unter Bischof Norbert Trelle, den er als Domkapitular 2005 zum neuen Hildesheimer Oberhirten miterwählt hatte, und übergab 2006 seinem Nachfolger im Amt ein gut bestelltes Haus.

Auch in seinem Ruhestand nahm er großen Anteil an der Entwicklung seines Bistums, kommentierte manche Entscheidung typisch lakonisch mit einem kritischen „Wahnsinn“ oder einem anerkennenden „gut so“. Mit ähnlicher Ambivalenz verfolgte er die theologischen Debatten in der deutschen Kirche; in vertrauter Runde changierte er dann zwischen Amüsement und Besorgnis. Unerschüttert wie eh und je aber blieb er in seiner Pflichterfüllung als Seelsorger, feierte bis zum Schluss verlässlich die Frühmessen im St. Bernward Krankenhaus, dessen Kuratorium er lange angehört hatte, und die Vorabendgottesdienste in St. Magdalenen.

Das Requiem für Prälat Bernert wird am Montag, 22.März, um 10 Uhr im Dom gefeiert. Anschließend ist die Beisetzung auf dem Annenfriedhof. Die Teilnahme an der Liturgie ist aufgrund von Corona zunächst Angehörigen und geladenen Gästen vorbehalten.

Thomas Hagenhoff

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