Pfarrer Müller. Mutiger Zeuge Christi

Das Kolpingwerk Diözesanverband Hildesheim würdigt an dieser Stelle einen seiner bekanntesten Präsides: den Märtyrer Joseph Müller. Einige Predigten und Vorträge sind hier im Original nachzulesen

Bistumsarchiv Hildesheim, Pfarrarchiv Groß Düngen St. Kosmos und Damian, III 108

Vortrag   (ohne Datum und Ortsangabe):

Der katholische Gesellenverein

„Die besten Missionare für die Jugend ist die Jugend selbst.“

Jugendfragen sind Schicksalsfragen; hier geht es um Sein und Nichtsein, um Leben und Tod der Nation, um Kultur und Zukunft. Jugendfragen sind deshalb Gewissensfragen, an denen zu arbeiten, Pflicht eines jeden Staatsbürgers und Katholiken ist. In keiner Zeit ist nach der Jugend so viel gefragt worden, um die Jugend so viel gerungen worden, wie in der Gegenwart. Die Jugend ist zum Problem geworden. Die Ausstellung „Das junge Deutschland“, die sich mit dem Problem der Jugend beschäf-tigt, kann manche Fragen klären und lösen, wird aber noch mehr Fragen aufwerfen, wird vor allem die drängende Verpflichtung zur Lösung dieser Fragen in das deutsche Gewissen rufen.

Wenn wir Deutschland sagen, dann denken wir nicht nur an Ströme und Berge, Lieder und Helden-gedichte, Technik und Kultur, sondern auch an dunkle Schächte, glühende Öfen, rauchende Schlote, nie rastende, unaufhörliche rasselnde Maschinen. Wir lauschen und hören das Lied, das da singt vom Kampf des Menschen gegen rohe Naturgewalten, von dem Dienst des Menschen für Menschen, um das Leben im Lande der elenden Elende glücklicher zu gestalten, um Hütten zu bauen, die fest und stark sind, um unsere Stuben warm und die Nächte hell zu machen; um die lockenden, schmeicheln-den Feinde der Menschheit zu vernichten. Doch in den Moll-Akkord mischt sich das harte Dur. Den Gesang von Glaube, Liebe, Treue, den übertönt der Weltlust Symphonie, des Geldklanges Melodie. Wir sehen die Mietskasernen mit den bleichen Bewohnern; wir schauen zersetzte Familien und freudlose Jugend, die früh reif geworden ist unter dem Druck der Nation, denen die Jugendfreuden-sonne genommen <ist>, ehe sich der junge Mensch entfalten konnte. Wir sehen das Proletariat, das aus seinen Kellerlöchern herauskriecht, um für den vierten Stand Menschenrechte zu fordern.

Einer aus dem Proletariat war der Schuhmachergeselle Adolf Kolping, der spätere Priester und Gründer des Gesellenvereins.Er verstand es, umzugehen mit den Werktagsmenschen der Arbeit, wollte ihnen nicht nur Priester, nein, auch Bruder sein. Das wußte er freilich nur allzu gut, daß nur mit wahrhaft sozialer und durchaus apostolischer Gesinnung die Seele des Proletariers gewonnen werden könne, daß der Umwelt zum Bewußtsein gebracht werde, daß jene, die auf den Barrikaden gestanden <haben>, das Opfer einer völlig unchristlichen, durchaus nicht gottgewollten Gesell-schafts- und Rechtsordnung geworden waren. Er kannte diese Verkannten viel zu gut, um sie plötz-lich als Engel der Menschheit zu zeigen; er wußte um das sittliche Chaos in ihrem Innern. Doch sollte er ob dieser Schwierigkeiten verzagen? Sollte er untätig die Hände in den Schoß legen und sagen: Es ist doch alles vergebens? Laßt sie liegen, wie man den faulen Apfel nicht vom Boden aufhebt, den der kräftige Wind herab geschüttelt hat. Laßt sie erst selbst ihre Torheit erkennen ein Bittgesuch einrei-chen an die Gebildeten, die Führer. Hätte der ehemalige Schuhmachergeselle so gedacht, wir hätten heute keinen Gesellenverein, in dem 100 000 heute zum Segen des Volkes und der Nation arbeiten. Kolping machte sich ein Gotteswort zu eigen: Geht an die Zäune und Landstraßen und nötigt sie hereinzukommen. Sein Schauen sagte ihm, daß Gesinnungsänderung nicht erschrieen und erpredigt, auch nicht mit Gesetzen, Beschlüssen, Demonstrationen erzwungen werden könne, sondern daß er still wachsen müsse aus der Familie, in der zwei Menschen eins werden, damit aus der Einheit in der Zweiheit der neue Mensch erstehe. So sammelte er denn die Verkannten um sich, gründete einen Verein, dem er eine Seele gab, den Gesellenverein als soziale Standesschule. In dem Staate sah er den Feind, in der Familie den Freund, Die Kräfte, welche die Familie zusammenhalten, brauchte er für seinen Verein. So wurde er der Sozialphilosoph der Familie.

Eine Heimat will er seinen Gesellen bieten, ein Heimathaus im Gesellenhaus, um sie davor zu bewahren, daß sie in jungen Jahren, wo der junge Mensch mit sich selber noch genug zu tun hat, sich dem „Parteitreiben“, wie er es nennt, hingeben. 1863 schreibt er darüber in den „Rheinischen Volks-blättern“: Man redet den Leuten von Freiheit und Rechten vor, aber es ist, als ob man nur mit bren-nenden Strohwischen vor ihren Augen herumfackelte, sie dadurch nur noch blinder mache, als sie schon sind. Wenn in dem drohenden Sturm diese papierne Welt voller Hochmut zusammen bricht, dann erst wird das Volk lernen, was die Kirche wert ist, auch draußen im Leben.“

Im Lichte des Glaubens geht er der Lösung der sozialen Frage entgegen. Drum baut er seinen Verein auf dem Glaubensfundamente auf, das unerschütterlich ist wie Christus selbst; denn Gemeinschaft fließt bekanntlich am stärksten aus religiöser Quelle und es muß der Familiengedanke den Gesellen-verein zur Religion führen, zur Familie der Kinder Gottes, zu dem gottgewollten Mittel der Verwirk-lichung der Kirche. Es mag leicht sein, da draußen, wo die Atmosphäre vom Christentum erfüllt ist, wo man mit der Woge schwimmt; draußen mag es kein Kunststück sein, wo alles, was man um sich sieht, noch zur Kirche hält, wenigstens zuständlich, wenigstens äußerlich nach Überlieferung und Tradition, wo die Glocken am Sonntag noch durch die Zimmer der Wohnungen gellen und sie erfüllen, wo die Ave-Glocke am Mittag und Abend noch geläutet wird, Christum als Lebensfunda-ment zu betrachten. Aber hineingeworfen in das Babel der Städte, in den Wirrwarr der Diaspora, wo die ehernen Klänge kaum noch bis zur vierten Straßenkreuzung dringen, wo den Fragenden kaum noch 60 Prozent der Leute sagen können, wo die nächste katholische Kirche ist, da ist es schwer, Heimatsitte und Gewohnheit beizubehalten. Wer da keinen Genius hat, der ihn begleitet, wer nicht weiß, was er nachher anfängt, wenn das öde Gesicht des Sonntags ihn angrinst, und wenn da nie-mand einlädt, einzutreten in jene vornehme, geistig und sittlich reine Atmosphäre, der vermag es zu ermessen, was es heißt, einen Kolping zu haben, einen Führer und Freund, der in brüderlicher Liebe an seiner Seite steht. Was ist melancholischer, ergreifender, erschütternder als der Sonnentag des Sonntags für den jungen Menschen! Alle Wochentage sind noch erträglich: die ganze Arbeit der Fabrik, der Werkstatt, hinter der Theke und den Schauladen. Aber ohne Heimat und Freund! Deshalb Gesellenhaus, deshalb Kolpingsbrüder, deshalb Religion und Tugend, Eintracht und Liebe.

Der junge Mensch soll im Gesellenverein wachsen an Körper und Geist. Fortbildung und Unterhal-tung zur Pflege eines kräftigen religiösen und beruflichen Lebens will Kolping im Gesellenverein seinen Mitgliedern geben, Festigkeit im Glauben, Förderung des Berufslebens sind die wichtigsten Programmpunkte des Gesellenvereins – heute ebenso zeitgemäß wie vor 80 Jahren. Qualitätsarbeit ist die Losung des Kolpingsohnes. Und wenn er trotz der staatlichen Zwangsschulen seine Mitglieder in der Freizeit nicht rest-, sondern rastlos schaffen läßt an ihrer allgemeinen Fortbildung und beruf-lichen Ertüchtigung, so hat er dazu nicht die reichen Mittel der öffentlichen Anstalten, aber dafür die Freiwilligkeit, den eigenen Antrieb und die Selbstarbeit der Mitglieder. Darum gründliche Fachbil-dung; denn Berufstüchtigkeit bringt auch Berufsfreude. Deshalb wird im Gesellenverein Arbeitsam-keit und Fleiß nicht an die letzte Stelle gestellt.

Alle Tore der Jugendfreude bleiben dabei offen: Natur und Kunst, Spiel und Sport, Lied und Musik, Buch und Bild, Gesellschaft und Tanz. Nirgends sprudelt der Born edler Freude so rein wie die den Gesellen, denn „sie grüßen die Brüder und sind wie zu Haus.“ Dort herrscht Frohsinn und Scherz. Das ist es, was der Gesellenverein will; das ist es, was die Kolpingsfahnen rauschen, was sie der Öffent-lichkeit ins Gewissen rufen wollen: „Wir jungen Männer stets und rein, wir bauen im Gesellenverein der Freude Hort.“ Stegerwald erzählt einmal, wie er selbst einst Mitglied des Gesellenvereins in Stuttgart geworden ist, und wie die Schulung und Lektüre ihn zum Mann des Volkes heranreifen ließ. Er setzt hinzu, er wisse nicht, ob er nicht schon längst im Sozialismus gelandet wäre, ob er nicht in Heckels Welträtseln den Schlüssel für die Lebensweisheit gefunden hätte, wenn nicht die Schulung und kräftige Organisation des Gesellenvereins ihn geschützt und gebildet hätte. Von dem Berliner Gesellenvater Eduard Müller wird berichtet, daß er sich gar nicht mit dem Gesellenverein befreunden konnte. Da ging er nach Münster, um daselbst Exerzitien zu machen, und den Himmel zu befragen wegen des neuen – unbekannten Berufes. Darauf ging es nach Köln, um Brautschau zu halten; und die Verlobung mit dem Gesellenverein war fertig. Der Umgang mit Kolping hatte es mir angetan, das ich nicht in Worte kleiden kann. Ich hatte ein Ideal, das ich blindlings abkonterfeien konnte. Als Bruder „Hamburger“ gekleidet, besuchte ich Werkstätten; sorgte weiter so viel wie möglich als „Geselle“ zu denken, zu fühlen, zu leben. Er verlehnte sich auch für unser Volk, Kolpings Leben einmal zu studieren. Wer kennt ihn denn? Man singt: Vater Kolping, lebe hoch! Und damit glaubt man, genug getan zu haben.

So stellt sich der Gesellenverein mit Freuden in die Reihen der katholischen Jugend, um aus der Gemeinschaft der Religion heraus zu arbeiten an der Befreiung des gedrückten Arbeitsmenschen unserer  modernen Zeit und somit lösen helfen die Schicksalsfrage des deutschen Volkes. Christus ist ihm Fundament, Arbeit sein Programm, die Familie die Flora, der neue Mensch das Ziel.

Möchte nur auch Kolping eine Jugend finden, die mithelfen will!

Du hast uns den Kolping gegeben, als Arzt in Elend und Not. Drum brauch ich nicht mehr zu zagen. Ich will stehen in Wetter und Nacht zum Kolpingsbanner, wie ein Soldat auf der Wacht. Ich will treu dir bleiben mein Leben, will hüten das Erbe der Brüder, will zeigen, was ich durch dich geworden:

   V a t e r  K o l p i n g.

Müller, Kaplan

Bistumsarchiv Hildesheim, Pfarrarchiv Groß Düngen St. Kosmas und Damian, III 109

Vortrag:   Ehrenmitgliederabend im Katholischen Gesellenverein Blumenthal, am 17.06.1925

„Du hast uns den Kolping gegeben als Arzt in Elend und Weh. Nun brauch ich nicht mehr zu zagen. Will stehen in Wetter und Nacht zum Kolpingsbanner, wie ein Soldat auf der Wacht; will treu dir bleiben mein Leben lang, will hüten das Erbe der Brüder, will zeigen, was ich geworden durch dich, Vater Kolping.“

Liebe alte Kolpingsgarde! Meine lieben Katholiken!

Zuerst einen recht herzlichen Willkommensgruß euch Alten. Nicht Alten, als ob ich damit sagen wollte, daß ihr alle schon graue Haare hättet, wen auch von manchem Schädel der Mond, in der Gestalt einer Glatze, glänzt. Nein, alt im Sinne von altgedient soll es sein, altgedient und darum ausgereift. Und die Frucht dieses Ausgereiftseins möchtet ihr gerne den jüngeren Söhnen des Kolpingvaters zu Gute kommen lassen. Ihr wolltet ja nicht nur eine schöne, schmückende Ehrenkrone des Gesellenvereins sein, oder gar nur das Portemonaie oder nur die finanzielle Rückendeckung für prachtvolle Feste; ihr wollt mehr sein. Ihr sein nicht etwa der alte Mann im Rollwagen des Gesellenvereins, sondern mit dem ruhigen abgeklärten Verstande und dem nüchternen Sinn, diejenigen, die voranleuchten. Und darum rufe ich nochmals euch ein von Herzen kommendes Grüß Gott zu. Doch ich darf dabei nicht stehen bleiben. In euren Herzen ist der Wunsch lebendig, daß auch in Zukunft Kolpings Banner siegreich vor-dringen möge und in den Vereinen der rechte Geist lebendig sei. Welches ist dieser Geist? Der Geist, der da sein Fundament auf Christus aufbaut, die Form, die in der Familie zur Darstellung kommt, möglichst gute Ausbildung des Berufes. Kurz gesagt das, was Vater Kolping in seinem Gesellenverein erstrebte. Und dieses Programm heißt:

     Christus ist unser Fundament  —  Familie unsere Form

     Arbeit unser Objekt  —  der neue Mensch unser Ziel.

  1. Christus unser Fundament

Liebe Ehrenmitglieder!  Zeiget den jungen Leuten, daß Christus euer Fundament ist. Ihr seid keine idealistischen Wolkenstürmer, die in glühenden Manifestationen, an flammenden Abendfeuern unbeschränkte Jugendfreiheit verkünden. Ihr schaut rührig und nüchtern das Leben an mit seinem Licht und seinem Schatten; ihr könnt verstehen und verzeihen, und darum glaubt euch die Kolping-jugend. Aber sie glaubt euch nur, wenn ihr durch euer Leben, durch die Tat wahr macht, was ihr mit dem Munde verkündet. Gut denn, ihr sagtet eben: Christus sei euer Fundament. Also dann habt ihr auch eine hl. Pflicht zu erfüllen, daß ihr in eurem Leben eine lebensgestaltete Frömmigkeit an den Tag legt. Fromm wird heute manchmal jener genannt, wer am Sonntagmorgen hinauspilgert in den Wald, sich dort auf moosbewachsenem Steine niedersetzt, dem Lied der Vögel lauscht, vom frischen Winde sich die Stirne kühlen läßt und dann in eine gewisse rührselige Stimmung gerät, die ihm die Brust mit Wehmut und Heimweh nach dem Nichtirdischen und Unvergänglichen füllt. Feierlich kann diese Frömmigkeit sein wie der Ton der Glocke, die vom Turm der Kirche klingt und zu Besuch der hl. Messe einladet, in die man aber als Freund der Natur nicht hineingeht. Frömmigkeit soll es sein, wenn ein Mensch in seiner Seele Abscheu empfindet vor dem Gemeinen und aus Respekt vor sich selber den Entschluß faßt, sittlich gut zu leben. Fromm soll sein, wer den ganzen Tag nur Gebete lispelt, den Kopf ganz tief hängen läßt, wer nur Gott und seine eigene Seele kennt, sich aber um Freud und Weh der übrigen Menschen nicht kümmert. Sind denn diese angedeuteten Formen wirklich christlich? Nein. Christus muß euch alten Kolpingsanhängern Weg, Wahrheit und Leben sein. Jene Tage sollen vorbei sein, da wir verschämt und schüchtern durchs Leben gehen, als wollten wir, wie ich am vergangenen Sonntag schon ausdrückte, sagen: Entschuldigen Sie, daß ich katholisch bin; als ob wir fürchten, wir könnten auf unserer Religion, beim Besuch der Sonntagsmesse, bei Opfer und Sakramentenempfang, bei einem nach christlichen Grundsätzen geordneten leben ertappt werden. Ja, gerade die älteren Männer müssen unserer Jugend sagen durch die Tat: Sie sollen uns auf unserer Religion ertappen, und wir wollen stolz darauf warten. Erweist es denn nicht jeder Tag aufs Neue, daß ohne Religion, ohne jene gewaltige Staatsgrundgesetz vom Berge Sinai die Welt und die Menschheit nicht regiert werden kann; daß wir gläubige Christen auf dem richtigen Wege sind, und diese Naturschwärmer und selbstherrlichen modernen Geister auf dem falschen? Auslachen könnten wir sie, müßten wir nicht Mitleid haben mit den Irrenden. Unserer köstlichen, königlichen Religionsweisheit und Religionskraft wollen wir uns bewußt bleiben, und vor allen Dingen die männliche Jugend soll soll sie aufrecht durchs Leben tragen. Ehrenmitglieder, zeiget der Jugend, daß Christus euer Fundament ist im Leben, in der Ehe, im bürgerlichen, wirtschaftlichen und geschäftlichen Leben. Helft mit, vor allen Dingen durch euer eigenes gutes Beispiel, eine fromme, frische, fröhliche, wackere Jugend zu bekommen, die das Herz rein und den Kopf klar bewahrt; eine Jugend heranzubilden, die dann reuelos hinter dem Manne liegt. Worte bewegen, Beispiele reißen hin. Und da möchte ich gleich etwas anführen, wodurch ihr unserer Kolpingjugend voranleuchten könnt. Wie wäre es, wenn die katholischen Ehrenmitglieder sich unserer vierteljährlichen Generalkommunion anschließen wollten, wenn ihr den betreffenden Kommunion-sonntag zu dem eurigen machen wolltet. Die Welt soll eure königliche ewige Wahrheit kennen lernen. Jeder ist dazu berufen sie mit deinem Wort, seinem Beispiel, seinem Charakter und seiner täglichen Arbeit, mit offener ehrlicher Stirn hinauszutragen. An einer Einladung zu dieser ersten praktischen Folgerung soll es nicht fehlen.

  1. Familie ist unsere Form.

Statt familienartiger zu werden, schreibt Kolping in den rheinischen Monatsblättern, weichen die Menschen immer mehr auseinander, fliehen sich trachten sich zu verderben, anstatt sich zu helfen.

Gilt das nicht mit noch mehr Recht von unseren Tagen? Das Familienglück ist das reinste, das edelste und schönste irdische Glück, nicht so groß freilich wie das jener Seelen, die in reiner Liebe dem Bräutigam der Seelen aus übernatürlichen Motiven sich vermählt <haben>; aber den meisten Men-schenherzen geht das Sehnen und Streben dahin. Doch nur der wird es finden, der den rechten Weg dorthin zu gehen weiß. Tausende greifen nach diesem Sterne, sind für einen Augenblick glücklich; und wenn den Stern in ruhiger Stunde besehen, müssen sie feststellen, daß sie einen Papierstern zu fassen bekamen, der noch dazu das Glück zu vergiften droht. Das sah Kolping an der Jugend seiner Zeit und darum hat er als der Erfahrene eingegriffen. Hätte Kolping angesichts der verzweifelten Lage und der verschwindend geringen Zahl der sittlich und religiös hochstehenden Gesellen gesagt: Es geht nicht, man hätte es ihm nicht verübeln können. Aber er wagt seine ganze Kraft an einer scheinbar verlorenen Sache und es gelingt. Nachfolger Kolpings sollten sich daran ein Beispiel nehmen. Nicht immer sagen: Es ist nun einmal so, zu ändern, zu bessern ist hier nichts mehr, sondern hier Hand ans Werk <legen>, indem ihr bei passender Gelegenheit unter vier Augen jüngere Leute auf die gesundheitlichen Schäden und <die Schäden> des durch ähnliches Treiben zerrütteten späteren Familienlebens aufmerksam macht. Außer diesem erstrebenswertesten und notwendigsten Familiensinn möget ihr aber auch dazu beitragen, die Mitglieder zu dem Gemeinschaftsgeiste zu führen, dessen wir ebenso dringend bedür-fen. Gerade auf diesem Gebiete haben unsere Ehrenmitglieder so viel vom Gesellenverein gehabt. Kolping hat diesen Gemeinschaftsgeist seinem Verein zugrunde gelegt, indem er ihm gleichsam eine patriarchalische Verfassung gab. Ist es nicht Gemeinschaftsgeist, Familiensinn damals schon gewesen, als er den Gesellen Tür und Tor und Herz öffnete, wenn er vom Vater des Vereins, vom Priester liebe-voll empfangen wurde. Gerade in diesen Tagen mußte ich über diesen Zug Kolpings so oft nachdenken. Da fand ich einen schönen Satz, der mich in den altgewohnten Formen neu bestärkte. Er schreibt da in einem Briefe an einen Präses: Du mußt nicht immer das Mäntelchen deiner unnahbaren Priesterwürde dir umhängen; lerne hinabzusteigen in den Gedankenkreis derer, die man zu der verachtungswürdigen Masse zählt. Sei ihnen Vater, so lieb und traut wie ein guter Vater mit seinen Kindern spielt und scherzt. Und an anderer Stelle las ich von dem bekannten Jesuiten Pater Roh: Und wenn die Jungens auf meinen Rücken Leibesübungen machten, ich ließe es zu, wenn ich sie (ihnen) dadurch ihre Seele retten könnte. – Ist es nicht praktischer Familiensinn, wenn er denselben Gesellen wieder in der Fremde Vater und Mutter ersetzte durch Präses und Verein. Wer in der Fremde fern von Heimat und Vaterhaus gestanden <hat>, weiß, wie wohl ein liebend Herz, eine wohltuende Familienaufnahme tut. Da sollen die Ehrenmitglieder wieder lernen und liebend auch den Jüngeren Tür und Tor des Herzens und des Hauses öffnen. Den jüngeren aktiven Mitgliedern möchte ich raten, ruhig einmal den einen oder anderen der Ehrenmitglieder aufzusuchen in den häuslichen Penaten. Der traute Zusammenhang zwischen Präses und Mitglied, zwischen aktiven und inaktiven macht uns den Verein so lieb und wert. In diesem trauten Familienkreis soll kein Klassenkampf sein, keine Gruppen, die sich abschließen, die nur mit diesem und jenem verkehren. Wir wollen alle Kolpingsjünger sein, die die Versöhnung der Stände auf ihr Banner geschrieben haben.  Wir hassen nicht, wir lieben echt und wahr, treu und recht. In unseren Versammlungen wollen wir herzliche Kameradschaft pflegen; auch die Ehrenmitglieder sind und recht herzlich willkommen. Bei Gesellen herrscht oft Jubel und Freude wie in der Familie, aber nicht, wie die moderne Jugend sie kennt. Mit Abscheu wenden wir uns von solchem Treiben ab. Wir bekämpfen das Leben ohne Ideale, die Freude ohne Maß. Jugend will Freude haben und wer sollte ihr das verargen. Aber unsere kleine Kolpingsfamilie wollen wir hinaustragen unter die Leute, in Familien und Volksbildungsabenden. Und wenn ich in den nächsten Monaten mit etwas derartigem komme, dann hoffe ich, daß die Familie einig ist und auch auf die rührige Mitarbeit der Aktiven und Inaktiven gerechnet werden kann.

  1. Arbeit ist unser Objekt

Je mehr die seelische Blindheit aus den Augen der Menschen weicht, desto mehr werden sie erkennen, daß nicht im Streiten, sondern vielmehr im Schaffen Rettung liegt. Alt und Jung muß sich im Verein begeistern zum Berufsgedanken der Arbeit, der uns von Kolping von Anfang an vorgezeichnet ist. Man sieht auch, wie diese Kapitalmacht unter uns stärker und größer wird. Qualitätsarbeit sollen wir leis-ten, in der besten Form, jeder in seinem Berufe, an seinem Platze. Die Werkstelle des Handwerks-meisters ist heute nicht mehr der ausschließliche Betätigungsplatz für den Gesellen. Mehr und mehr wird er in den Fabrikbetrieb hineingezogen. Wir können heute nicht mehr stehen bleiben, den Hand-werkgesellen, der im Kleinbetrieb tätig ist, sondern müssen auch jeden gelernten Arbeiter, sei er nun in der Fabrik oder sonst wo beschäftigt, sei er gar in der modernen Fabrik der Büros, Eingang in unseren Kreis verschaffen. Kolping suchte ja nicht ausschließlich den Berufsgedanken des Arbeiters zu heben, sondern die triebende Kraft war zweifellos der Wille, durch die Rettung des Berufsgedankens in der Arbeit den zersetzenden Mächten unübersteigbare Schutzwehren entgegen zu stellen. Die Losung des Gesellenvereins, an der sich natürlich auch die Ehrenmitglieder beteiligen müssen, heißt also Erneuerung der Gesellschaft durch Wiederweckung und Pflege des Berufsgedankens. Durch gottge-wollte und gottgesegnete Arbeit will der Gesellenverein zu berufsfreudigen Menschen erziehen. Für Kolpingssöhne ist die Arbeit nicht nur Lohnarbeit, sondern, – wir rufen es durch die Tat in alle deut-schen Herzen hinein – für uns soll sie, ist sie ein heiliger Gottesdienst. Es würde heute zu weit führen, diesen Gedanken weiter darzulegen; ein ander Mal soll darüber mehr erfolgen. Nur eines sei noch gesagt. In der Winterarbeit werden wir, so Gott will, praktisch durch Kurse, die sich bei gutem Willen auch hier ermöglichen lassen, zeigen, daß wir unter allen Umständen bestrebt sind, auch in dieser Hinsicht unserem Vater Kolping Ehre zu machen. Wir wollen stehen in Wetter und Nacht zum Kolping-banner und den Berufsgedanken pflegen. Unsere Gemeinde wird dann aufs Neue den Gesellenverein segnen und uns mehr Geltung verschaffen. Vorerst wollen wir selbst alle den Gedanken in die Wirk-lichkeit überführen, daß wir sagen: Ich will nur ganze, gute Arbeit leisten, getreu dem, was Kolping sagt: Was du bist, das sei ganz; was du tust, das tue ganz.

  1. Der neue Mensch ist unser Ziel.

Mit dem alten Menschen schafft man keine neuen Zeiten und erst gar nicht eine neue Welt. Nicht dadurch wird es besser, daß man hier ein christliches Pflästerchen auf eine Zeitwunde klebt und dorthin ein katholisches Sälbchen verabreicht. Auch Flickwerk nützt nichts. Sagt doch der Heiland selbst: Niemand setzt einen Flicken vom neuen Tuch auf ein altes Kleid. Der Heiland will damit alle Halbheiten verurteilen. Wir brauchen zu einer neuen Welt auch neue Menschen. Unser Herrgott hat allerhand Kostgänger, Ja, es ist wahr. Viele Sorten Menschen haben wir. Im Kolpingsblatt steht in der Märznummer folgendes zu lesen: Es gibt drei Sorten von Menschen: Tiermenschen, Menschentiere und die wirkliche ganzen Menschen. Nicht als ob die beiden erstgenannten wegen ihrer Tierver-wandtschaft keine Seele hätten. Deren Seele aber ist nur die Magd des Fleisches. Der hl. Paulus hat diese schon im Poesiealbum geschrieben. Ihr Gott ist der Bauch. Sie huldigen der Religion der Neuzeit. Und ihre Religion gipfelt, wie Papini sagt, in der Dreiheit Wotan – Mammon – Fleisch. Wotan, das ist die Staatsgewalt, sein Sinnbild ist das Schwert, sein Tempel die Kaserne; Mammon, der Reichtum, sein Sinnbild das Gold, sein Tempel die Börse; Venus, das Fleisch, ihr Sinnbild ist das geheime Laster, ihr Tempel das Bordell. Alle ganzen Menschen führen gegen diese Trugreligion den Kampf. Selbst Ungläubige versuchen der Welt eine allgemeine sittliche Norm zu geben.  Aber es fehlt da etwas: die Seele. Seele ist Licht und Wärme. Und Wärme kann, wie Nattermann in Hildesheim sagte, nur der engste Anschluß an das Christentum, an Christus geben. Diese Voraussetzung ist bei unserem lieben Gesellenverein gegeben. Nun fehlt nur noch das Wichtigste, daß wir selbst neue Menschen werden, oder noch besser, daß wir christlich katholische Menschen werden. Gott will, daß die Menschen mehr als bloße Menschen seien. Die Raupe kriecht aus der Erde, das ist natürlich; der Schmetterling würde widernatürlich handeln, wenn er weiter auf der Erde kriechen wollte. So ist es auch bei uns. Durch die Taufe sind wir zu einer neuen Schöpfung geworden, sind ein Mensch geworden, in dem Gott lebt, ein Kind Gottes. Indem wir an uns selber arbeiten, indem wir wachsen als Persönlichkeit, als Kolpings-jünger, als Christ, und für uns als Mitglieder des katholischen Gesellenvereins, als Katholiken, wachsen wir zum neuen Menschen, den unser guter Vater Kolping erstrebte. Und mit dem Schlusse, mit dem den letzten religiösen Vortrag beschloß, möchte ich auch heute schließen: Es war ein schaffender Gott, der die Welt erschuf; es war ein schaffender Christus, der die Welt erlöste; es waren schaffende Männer, die das Evangelium der Welt verkündeten. Möge es auch ein schaffendes Volk sein, das zum neuen Menschen wird. Es muß noch immer mehr Frühling werden in unserem Verein, in unserem ganzen Gesellenverband. Ich rufe euch auf zur Arbeit, zur Arbeit für ein hohes Ziel. Dann wollen wir alle, jung und alt, gebildet und ungebildet, arm und reich, aktiver und inaktiver den Kampf aufnehmen gegen den rechnerischen Geist einer geldgierigen Welt. Auf dieser christlichen Grundlage werden wir junge Leute, „das Mark des Volkes“ werden. Wer geht mit auf dem Wege? Er führt himmelwärts.

Vortrag in Blumenthal am 23.09.1925

Vom Geist und Leben im Gesellenverein

„“Ich will!“ – das Wort ist mächtig; spricht´s einer ernst und still. Die Sterne reißt es vom Himmel, das eine Wort „Ich will!“

Liebe Gesellen!   Das Thema, über das ich heute Abend zu euch zu sprechen gedenke, möge bei uns allen, Vorständen sowohl wie Mitgliedern, eine ungeteilte Aufmerksamkeit finden und Anregung geben, wie wir unser daniederliegendes Vereinsleben zu heben haben; welche grundsätzlichen Vor-bedingungen gegeben sein müssen, um den Gesellenverein zu dem zu machen, was er Präses und Mit-gliedern sein soll, ein Familienverein, um Menschen zu bilden, die als Ebenbilder Gottes ihrem Urbild möglichst nahe kommen. Nicht mit abstrakten Formen und schönen Redewendungen wollen wir den Vortrag des heutigen Abends ausfüllen; die sollen einer besseren Zukunft aufgespart sein; schlicht und einfach, jedem verständlich sei Wort und Sinn. Es heiß erst allerdings einige graue theoretische Weis-heiten niederzulegen. Doch auch die Praxis soll nicht fehlen.

Wie draußen in der Natur für das Gedeihen der Pflanze eine gesunde Wurzel die erste Voraussetzung ist, und für den Bestand des Hauses in allen Stürmen, die es umbrausen, ein gut gelegtes Fundament, so verhält sich Geist und Leben der Vereinsmitglieder zum Erfolg aller Vereinstätigkeit. Wo Könige bauen, da haben Krämer zu tun, und ein Königsbau ist doch des Gesellenvaters Werk. Unsere Aufgabe kann es nur sein, nach den Plänen des Meisters dieses Werk in den Herzen und Gehirnen derer, die in unseren Reihen sich zusammenfinden, auf und weiter zu bauen.

  1. Der Geist, den unser Vereinsleben durchwehen soll.

Liebe Gesellen!   Ich will meinem Volke nützlich sein, das ist die Redewendung, die sich in Kolpings Schriften immer wieder findet. Schwer lasten die Zeitverhältnisse auf unserem Volke. Arbeitslosigkeit grassiert, leider gar oft herbeigeführt von dem unseligen Krämergeist der Unternehmer und Kapita-listen, die, wie der Volksmund sagt, den Hals nicht voll bekommen können, dabei aber still ja mit höhnischem Lächeln zusehen, wie der Arbeiter körperlich und geistig dahinsiecht. Da offenbart sich eine Brutalität und Geistesverfassung, die für unser ganzes Volksleben verhängnisvoll werden muß. Aber auch unter der arbeitenden Bevölkerung findet man gar oft nicht den Gemeinschaftsgeist und das Zusammenarbeiten, wie es doch so bitter notwendig wäre. Die Parole „Nichts über mich“ drängt gar nicht so selten das eigene Ich in den Vordergrund und macht es für die Not des Nebenmenschen unempfindsam. Ich will meinem Volke nützlich sein; deshalb steht uns Kolpinsöhnen die hohe Aufgabe zu, die Beziehungen der Menschen, vor allem aber unserer Vereinsmitglieder einander näher zu bringen. Und das wird erreicht im äußeren schönen Getue, mit hochtrabenden Worten von Liebe und Versöhnung, sondern da heißt es, das innere egoistische Herz umzustellen auf den Boden echter Bruderliebe, die da in jedem Menschen ein Ebenbild Gottes erblickt. Nicht das „Herr, was bin ich, was kann ich noch werden“ bringt die Menschen und Mitglieder einander seelisch näher, sondern das “Laß mich teilnehmen an deinem Ringen und Schaffen, an deinen Erfolgen und Mißerfolgen, an deinen Leiden und Freuden.“ Das ist die erste Grundbedingung, die unser Volk und auch unseren Gesellen-verein auf ein höheres Niveau heben und erfolgreich arbeiten lassen kann. Darum will ich nur ganze Arbeit in meinem Berufe leisten, ein jeder an seiner Stelle, und nicht die Berufsarbeit, wie kürzlich sagte, als „verdammte Nebenbeschäftigung“ auffassen, die nur dazu da ist, dem Menschen die Freude am Leben zu vergällen. Kolping sagt: „Willst du den Frieden des Herzens bewahren, mein es gut, tu, was du kannst.“ Sag es nicht bloß, tue es!

  1. Unser Gesellenverein ist ein Familienverein; Familie besagt aber, daß die

Familienmitglieder Gemeinschaftsgeist besitzen. Kein Mensch kann auf die Dauer eine unbedingte Freiheit ertragen. Keines von den sogenannten Erdengütern wird zwar heißhungriger ersehnt als eben dies; aber hat man dieses Gut, dann fühlt man das am lästigsten, was man als das Süßeste erwünscht hat. Wie das ist und warum das so ist, muß dir dein eigenes Herz erklären, dein Kopf kann es nicht allein. Das Isoliertsein, das Fürsichsein kann kein Mensch, vor allen Dingen kein junger Mann ertragen. Von Natur will der Mensch sich anderen anschließen; damit aber muß er notwendig auf seine unbedingte Freiheit verzichten, er muß sich also verpflichten lassen. Er will und muß sich anschließen, denn sein Herz hat geradezu unnachweisbare Bedürfnisse, als das anderer Menschen. Ja, gerade weil der junge Mann nach der Arbeitszeit sich frei dünkt, fühlt er mehr als andere das Bedürfnis zum Anschluß an andere. Leider sind es nicht immer solche Verbindungen, die das wahre Wohl des jungen Menschen fördern. Ich habe junge Leute gekannt, die aus Langeweile eine Liebschaft anfingen, wie sie sagten, und natürlich unter solchen Umständen nicht sehr wählerisch zu Werke gingen und infolgedessen unübersehbares Elend über sich und die Ihrigen brachten. Vae soli, sagten die Alten. Wehe dem Alleinstehenden, dem Einsamen, dem seelisch Verlassenen, dem die Familie nichts geworden ist und der nicht den rechten Weg zur rechten Gemeinschaft gefunden hat. Es ist etwas Heiliges um die echte Gemeinschaft; sie ist nicht aus Menschenwillkür entstanden, sondern ihr tiefster Kern liegt in Gottes Wort: „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei.“ Und deshalb hat unser Gesellen-vater aus diesem Menschenbedürfnis heraus den Gesellenverein gegründet, nicht als einen Rauch- und Bier- und Gemütlichkeitsklub, als einen gegenseitigen Erziehungsverein. Die Mitglieder dürfen sich deshalb nicht der Ansicht hingeben, sie seien im Gesellenverein ausgewachsene und ausgereifte, aus-gebildete Menschenkinder; wenn sie das meinen, dann haben sie keinen Platz im Gesellenverein, es sei denn, sie faßten ihn als Geselligkeitsverein oder Wanderunterstützungsverein auf. Was Kolping mit seinem Verein wollte, ist eine Gemeinschaft der Liebe, der Freuden, der Hilfe und des gegenseitigen Vertrauens. Und in diesem Kreise ist jeder mehr als eine tote Mitgliedernummer, sondern der ringende, reifende junge Mann, der anderen mitgibt aus seinen Schätzen, und von anderen nimmt, was sie ihm bieten, und wäre es auch noch so wenig. Wer selbst einmal den Geist dieser Gemein-schaft, fast hätte ich gesagt, der Freundschaft gespürt hat, der wird bestätigen, daß er zu dieser Heimat, zu dieser Familie mit einer gewissen Wehmut zurückschaut. Das, liebe Gesellen, ist das zweite Fundament für einen schönen Gesellenvereinsbau. Festes Wollen, aber auch ein klar denkendes star-kes Herz führt zum Ziele. Du sollst, sagt Kolping, deinen Mitgesellen nicht deshalb geringer ansehen, weil er einen schlechteren Roch trägt als du; sein Herz ist vielleicht umso besser. Kolpingsöhne sehen nicht auf die Schale, sondern auf den Kern. So wird man mit sich selbst zufrieden und gewinnt andere für den Verein. Ich muß bei dem Gemeinschaftsgedanken noch ein wenig verweilen.

Da ist zuerst das Verhältnis zum Präses. Unsere Satzungen sagen: An der Spitze des Vereins steht als Präses mit väterlicher Gewalt ein Priester. Ist er ein Mann wie Vater Kolping ihn für seinen G.V. verlangt, so ist das Mitarbeiten eine leichte und freudige Sache. Warum überhaupt einen Priester als Vater des Vereins? Die Kirche darf das bürgerliche Leben nicht ihren geborenen und geschworenen Feinden allein überlassen; sie muß ins Leben hineintreten. Es darf nicht heißen, sagte auf der letzten Generalversammlung der Bischof von Würzburg: Die Geistlichen heraus aus den Vereinen, sondern die Geistlichen hinein in die Vereine. Die Kirche wird nun repräsentiert durch ihre Priester. Je näher die Geistlichkeit dem Volke und Volksleben steht, um so eher ist sie befähigt, die Menschen zur Höhe hinaufzuziehen. Wie aber der Geistliche als Präses den Verein als seine Berufssache ansieht und in sein Herz aufnimmt, ihm sich so viel, <wie> es seine Kenntnisse erlauben, widmet, verdient er den Namen Vater des Vereins. Aber, liebe Gesellen, auch hier finden wir Licht- uns Schattenseiten ungleichmäßig verteilt. Vergesset nicht, daß auch der Präses Mensch ist mit Fehlern und Schwächen, und daß ihm manchmal der Mut ausgeht, wenn er gar keinen Erfolg sieht und er alles in die Ecke werfen möchte; wenn er glaubt, kein Verständnis und keine Gegenliebe zu finden und so ein wahres Kreuz mit sich herumträgt. Das sind manchmal schwere Stunden, besonders dann, wen er gar nicht herausbe-kommen kann, durch die Schweigsamkeit und das teilnahmslose Verhalten der Mitglieder, wo eigent-lich der Grund des Nichterfolges liegt. Darum möchte ich euch alle im Interesse unseres lieben Gesel-lenvereins heute bitten, offen und frei zu sagen, was man abgestellt zu haben wünscht. Sind es persön-liche Angelegenheiten, dann möge das unter vier Augen gesagt werden; sind es öffentliche, dann in den Versammlungen. Ich nehme es keinem für übel. Ein Freund ist nicht, der mir den Spiegel hält in der Schmeichelei, in dem mein Bild mir selbst gefällt. Ein Freund ist, der mich sehen läßt meine Flecken und sie mir tilgen hilft, ehe Feinde sie entdecken. Also ruhig mit der Sprache heraus. Was ich eben gesagt <habe>, ist auch die Gesinnung meines Herzens. Dann aber auch gehört dazu etwas Vertrauen. Ich spreche heute Abend offen und frei: Man hat manchmal den Eindruck, als ob sich der eine oder andere nicht recht wohl fühlt in der Nähe des Präses; man kommt zu dieser Ansicht, wenn man seine Beobachtungen zusammenzählt. Liegt der Grund darin, daß man nicht einverstanden ist mit der straffen Durchführung der Kolpingsidee, so muß ich sagen, daß ich auch in Zukunft dabei zu bleiben gedenke; liegt es wo anders, dann möge man seine Meinung kundtun.

Was nun das Verhalten der Mitglieder untereinander betrifft, so glaube ich, darüber keine Worte verlieren zu brauchen.

(die folgenden Sätze sind durchgestrichen:   Stimmt es da nicht, dann kann das Sprichwort angewandt werden: Wie kann aus Zwietracht Gutes kommen? Andererseits darf aber in einem Gemeinschafts-leben nicht alles auf die Goldwaage gelegt werden.)

Wer Menschen gewinnen will, muß das Herz zum Pfande setzen. Zugleich bleibt man da aber auch ein klarer Kenner allermenschlichen Fehler und Schwächen und Beschränktheiten, ist freudig und gern bereit bei jeder Kleinarbeit. Wir dürfen uns nicht der Ansicht hingeben, nur zu empfangen, sondern im Gemeinschaftsleben heißt es auch geben. Und so schwer ist das nicht: Wovon das Herz voll ist, davon fließt der Mund über.

  1. Soll ein Verein lebensfähig und lebenswert sein, dann heißt es nicht, ziel- und

planlos <zu> arbeiten, sondern ein bestimmtes Ziel muß vor Augen stehen. Hier muß ich bekennen, daß es auch bei mir bis jetzt daran in gewisser Hinsicht gemangelt hat. Das Hauptziel allerdings war da, aber die Wege zu diesem Ziel gingen etwas kreuz und quer. Doch auch jedes Mitglied muß einen be-stimmten Lebensgrundsatz haben, nach dem er all sein Denken und Handeln einstellt, sowohl Präses als Verein und Mitglied. Ich habe diese Gedanken schon früher angedeutet. Gehen wir da bei den großen Männern der Geschichte in die Schule. Ich will die Luft bezwingen, war des Grafen Zeppelin Lebensziel; ich will Maler werden, schrieb ein Adolf Menzel; ich will das Werk meines Vaters fortset-zen, ein Altfried Krupp; ich will den Nordpol erreichen, ein Nansen. Nicht Glück und Gunst hat diese Männer ans Ziel geführt; erst nach Überwindung von anscheinend unübersteigbaren Hindernissen gelangten sie ans Ziel. Dieses Lebensziel soll sich für gewöhnlich mit dem Berufsziel decken; ich will mich in meinem Fache noch nebenher in diesem oder jenem Zweige ausbilden; ich will die Menschen beobachten und daraus für mich und meine Mitmenschen lernen, sie in der rechte Weise zu behan-deln; ich will mich mit der sozialen Frage, der Arbeiterfrage usw. widmen. Ich will meine religiösen Kenntnisse vertiefen; diesem oder jenem Standesverein meine besondere Liebe und Tätigkeit zuwen-den. Seht, liebe Gesellen, dann bleibt man davor bewahrt, ein Allerweltsmensch zu werden; nur so wird man eine kraftvolle starke Persönlichkeit. Waschlappen haben wir genug, zielbewußte starke Männer brauchen wir. Dann hält man auch eine zielstarke Begeisterung wach und hat ein durch Liebe geschärftes Auge; und das läßt einem alle Möglichkeiten entdecken, die zum Ziele führen; die auch standhält, wenn es um einen stürmt und es den Augenschein erweckt, als ob alles verloren sei.

Liebe Gesellen!  Bis hierher war´s meistens schöne Theorie. Das bescheinige ich mir selbst. Die Praxis aber soll nicht fehlen. Vor uns steht heute die Frage: Wie können wir den schlafenden G.V. wieder auf die Beine verhelfen?

Wir im Gesellenverein sind eine Familie; und das muß sich zuerst zeigen bei seinen wichtigsten Lebensäußerungen, den Versammlungen. Jugend! Schon in der Eröffnung soll das herausklingen. Die G.V.-Versammlungen sind Feierabendstunden der Vereinsfamilie. Sie sollen sich also nicht in dem bekannten und berüchtigten Schema vollziehen: Ich eröffne…, ich begrüße…, ich erteile das Wort…, oder wir kommen zu Punkt 1, Wahl des Vorsitzenden. Denn so geht es in einer Familie nicht zu. Ein klein wenig gemütvoller und familiärer ist man da doch. In der Begrüßung klinge der Gedanke des Abends, die Eigenart des betreffenden Tages heraus, der irgendwie eine kirchliche oder weltliche Bedeutung hat, akute oder chronische Gesamtvereinsangelegenheiten, das weckt gleich das Interesse der Zusammengehörigkeit und schafft Aufmerksamkeit für das Folgende. Kartengrüße werden vorge-lesen und gehen Hand zu Hand. Dann kommt das Protokoll, es gehört im geordneten Vereinsbetrieb nun einmal dazu, damit die in der letzten Versammlung nicht anwesenden Mitglieder gleich im Bilde über die letzten Vorgänge sind. Für diejenigen, die die Versammlung leiten, heißt es allerdings, sich ein wenig vorzubereiten; vor dem wird doch ein junger Mann nicht zurückbeben. Über Familiensachen wird sich auch gerne ausgesprochen. Sonst hat die Fortsetzung der Versammlung in der Gestalt des schönen Vortrages nur den Wert einer Rede zum Fenster hinaus. Wenn aber nach gutem Anfang und passender Überleitung der Vortrag steigt, dann werden auch die Mitglieder mit Interesse folgen. Die Mitglieder allerdings müssen sich auch selbst etwas während des Vortrages anstrengen und nicht alles ruhig über sich ergehen lassen, und dann am Schluße ihr Amen als Senf zu geben, im Beifallklatschen, wenn man dazu noch die Hände hergibt. Wenn die Mitglieder so still dasitzen und halb schlafen, könnte ein zufällig Eintretender meinen, hier werden Bekanntmachungen dem hochwohllöblichen Publikum zur Kenntnis gebracht. Daß dann nach jedem Vortrag eine Diskussion einsetzen muß, ist selbstverständlich. Das sollen uns für die Zukunft einige Richtlinien sein, wie wir die Versammlungs-tätigkeit beleben können.

Nach dem ersten Teil soll und muß dann auch die Freude zu ihrem Rechte kommen; und wenn ersteres gut ausgefallen ist, dann ist der Boden schon von selbst gegeben. Es ist doch sicher der eine oder andere unter uns, der etwas „auf Lager“ hat; bei Hochzeiten oder unter euch verzapft man allerhand an Döneken, laßt sie auch unter unserer Gesellenfamilie einmal vom Stapel. Nicht vergessen uns sehr empfehlen möchte ich das gemeinsame Lied. Es müßten neue Lieder eingeübt werden, damit nicht immer die alten heruntergeleiert werden. Dann von Zeit zu Zeit Familienabende für Mitglieder, Ehren-mitglieder und deren Familien. In Münden sagte mir einmal ein ergrautes Ehrenmitglied: Mich zieht es aus meiner Familie nicht mehr nach Festlichkeiten hin, aber die Abende im G.V. bereiten mir und meiner Familie erbauende Stunden.

Liebe Gesellen!  Das sind die Gedanken, die ich euch heute nahe legen wollte. Laßt sie mich noch einmal kurz zusammenfassen. Das Fundament oder der Geist unserer Mitarbeit sei:

  1. Ich will meinem Volke nützlich sein; drum tue ich, was ich kann und drücke mich nicht feige, sondern nehme teil am Schicksal meines Kolpingbruders.
  2. Ich will der Gemeinschaft unseres Vereins mich so geben, wie ich bin; ich will ihr geben was ich habe, dem Präses und den Mitgliedern.
  3. Ein Lebensziel will ich mir stecken und das konsequent verfolgen.

Das wäre der notwendige Gesellengeist, aus dem sprudelt das Leben, das fruchtbare, gemütliche, erholende Versammlungs- und Vereinsleben. Aus dieser Quelle sprudelt dann reine Freude, Keine Sündenfreude, die ist ja gar nicht echt, keine Freude im Übermaß von Genuß, aus ihr kommt Verdruß; keinen Freuden, die kurz und schnell vorübergehen, wie sie gekommen sind, aber jene stille Freude, die aus einem Leben treuer Pflicht, aus frische Arbeit und froher Erholung hervorquillt, die dann aber durch nichts so leicht sich aus dem Herzen verdrängen läßt. Das ist wahre klare Kolpingsfreude. Wir wollen sie suchen und segnen. Sie vergoldet auch das bescheidenste Leben. Sie hält uns zufrieden und froh. Sie macht uns mutig und glücklich.

Gott segne unseren lieben Gesellenverein!

Vortrag  im G.V. Blumenthal am 23.09.1925

Vom Geiste unserer Arbeit im Gesellenverein

Mein Freund ist nicht, der mir den Spiegel hält der Schmeichelei, in dem mein Bild mir selbst gefällt. Mein Freund ist, der mich sehen läßt meine Flecken und sie mir tilgen hilft, ehe Feinde sie entdecken.“  (Shakespeare)

Meine lieben Katholiken!   Das Thema, über das ich heute spreche, darf bei uns allen eine rege Teilnahme finden. Es ist eine gute Sache, schreibt Kolping im Jahre 1849, daß die Geistlichen sich um unseren Gesellenverein bemühen; die besten Missionare aber sind unsere Gesellen selbst. Wenn sie so recht merken, was der Verein ihnen gibt, wenn alle eifrig mitarbeiten, der guten Sache zum Siege zu verhelfen, dann ist das Sichwohlfühlen im Verein gesichert, Ihr wißt alle, welches ausschlaggebende Moment die geistig-seelische Verfassung der Vorstände und Mitarbeiter für das ganze Leben des Vereins darstellt. Wie draußen in der Natur für das Gedeihen der Pflanze eine gesunde Wurzel die erste Voraussetzung ist, und für den Bestand eines Hauses in allen Stürmen die es umbrausen, ein gut gelegtes Fundament, so verhält sich der Geist, in dem wir unsere Arbeit im G.V. tun, zum Erfolg aller Vereinstätigkeit. „Wo Könige bauen, haben Krämer zu tun.“  Und ein Königsbau ist doch unseres Gesellenvaters Werk. Unsere Aufgabe kann es nur sein, nach den Plänen des Meisters dieses Werk in den Herzen und Gehirnen derer, die in unseren Reihen sich zusammenfinden, auf- und weiterzu-bauen. Diese geistige Hinterlassenschaft Kolpings sollen die Mitarbeiter übernehmen uns verarbeiten, sie zu erwerben suchen, um sie zu besitzen. Damit ist schon gesagt, die Vereinsarbeit keine Sache ist, in der man sich und seine Ehre sucht. Tut man das, so wird man bald merken, daß Orden und Ehren-zeichen ausbleiben und dafür hier kein Platz ist. Nein, weil wir dem Volke nützlich werden möchten! Das ist eine Wendung, die sich Kolpings Schriften findet und deutlich genug lehrt, wie wir unsere Arbeit aufzufassen haben. Ein Blick in die Umwelt zeigt schon, wie zeitgemäß auch heute noch dieses Wort ist, ja, wie es an Bedeutung zugenommen hat. Wir sehen, wie zerrüttet die Beziehungen der Menschen untereinander sind, wieviel Trennendes sich auftürmt in einer Welt, die zum großen Teil den Zusammenhang mit der christlichen Lebensordnung verloren hat; und da wissen wir jetzt, daß die Jugend, die sich im Heerbann Vater Kolpings sich vereinigt hat, zu einem Werke berufen ist, wie es vielleicht in Jahrhunderten nicht mehr von ihr verlangt wird. Kardinal Schulte schrieb in seinem Begrüßungstelegramm an die letzte Generalversammlung: „Der katholische Gesellenverein mit seinen alten soliden Grundsätzen scheint mir besonders geeignet und befähigt, wertvolle Mitarbeit zu leisten an der Erneuerung unseres Volkes, an seiner Durchdringung mit christlichem Geiste.“ Es gilt in dieser Welt, die trotz oder auch gerade wegen ihrer materiellen Bereicherung, ihres technischen Fortschrittes seelisch so arm geworden ist, jene Werte von ewiger Geltung aufzuzeichnen, denen die Menschen entsprechen müssen, um ihr Leben dieses Lebens wert, um es wahrhaft kostbar zu gestalten. Auch der Gesellenverein ist ein Teil jener katholischen Aktion, die der Heilige Vater so sehr begrüßt als die Bewegung, die den Zweck hat, den Triumph des Reiches Christi in der menschlichen Gesellschaft anzubahnen. Und es leuchtet ja auch sofort ein, wie so viele soziale Probleme sich sofort lösen, wenn wir es erreichen, die Menschen seelisch einander näher zu bringen, wenn sie wieder lernen, in allem nach dem Ewigen und Echten zu sehen. Gerade die werktätige Jugend erlebt es ja zum Bedauern täglich, wie auf eine so sinnlose Art Tausende aus ihren Schichten, gerade solche, die die werktätige Jugend angehen, für ein höheres Leben verloren gehen; wie sie an den Schätzen, die die Edelsten unseres Volkes bereitet haben, achtlos vorüber wandern, da sie nicht einmal ahnen, wieviel Schönheit und Reichtum dort der Besitzergreifung harrt und wie es möglich wäre, das Dasein zu bereichern und zu reineren Formen zu erheben. Eine jeder höheren Idee ermangelnden Denkweise hat dafür gesorgt, daß die Jugend sich Ziele steckt, die dahin führen müssen, daß der Stand ihres geistigen und sittlichen Lebens auf ein Niveau absinkt, das einem mit banger Sorge erfüllen muß. Oder glaubt man des Lebens letzte Höhen erreicht zu haben, wenn die Interessen der Vereinsmitglieder sich nicht weiter richten, als auf angenehmen Zeitvertreib in den Versammlungen, einmal etwas anderes zu haben als in der Fabrik und nur an den Götzen der eigenen Bequemlichkeit denkt; oder das Denken ausgefüllt ist mit der Anbetung des äußeren Erfolges, wie sie am krassesten im heutigen oft so grundfalsch geleiteten Sportbetrieb geübt wird. Ist doch sein Ziel vielfach nicht in erster Linie Ertüchtigung des Körpers, sondern Höchstleistung steht als das Treibende und Drängende im Vordergrund. Und sind nicht auch jene in einem gefährlichen Irrtum befangen, die da glauben, dem Volke und besonders der Jugend Wohltaten zu erweisen, wenn sie Ideen verbreiten, die darauf abzielen, das Rassenbewußtsein in einer Weise zu steigern, daß nach den Worten eines bedeutenden Historikers der Dämon Nationalismus als der egoistische Gott, dem sich jeder zu opfern hat, wieder auf den Altar erhoben wird? Leider sieht man so viele den Tagesmeinungen unterliegen, weil sie kein inneres Gegengewicht, keine Kraft zum Widerspruch gegenüber den Äußerungen des Zeitgeistes besitzen. So liegt, liebe Gesellen, die Welt vor uns wie ein aufgewühltes Land, das auf die verständnisvolle Arbeit des Landmanns wartet.

Wie können wir mitarbeitende Gesellen dieser Aufgabe gerecht werden?

Zunächst muß dem Mitarbeiter im Kolpingsverein eine gewisse Freudigkeit zu eigen sein, die den zu bewältigenden Schwierigkeiten entspricht. Klares Denken, festes Wollen, aber auch ein zartfühlendes und starkes Herz. Es ist klar, in einem Gemeinschaftswesen wird es immer Mitglieder geben, die den Anforderungen und Idealen nicht entsprechen; sie sind in vorzüglicher Weise das Objekt der Sorge. Andererseits muß aber auch auf alle Mitglieder sich das freundschaftliche Verhalten erstrecken; im Kolpingsverein gibt es keine Klassenunterschiede. Stimmt es dort nicht, dann kann das Sprichwort Geltung finden: Wie kann aus Zwietracht Gutes kommen. Eine solche Auffassung schließt aber noch ein anderes in sich, nämlich den Geist rechter Unterordnung und Bescheidenheit. Die Liebe zur Kolpingssache muß sich auch dann bewähren, wenn der eine oder andere sieht, daß ein zweiter an Tätigkeit und Fähigkeiten ihn übertrifft. Dann ergibt sich von selbst die Aufforderung, diese Kräfte für Kolpings Werk zu gewinnen, selbt wenn dadurch persönliche Opfer gefordert werden. Durch diesen Akt der Selbstlosigkeit nützt er oft mehr als durch jahrelange Arbeit. Kolping schreibt da so schön in seinen Regeln für die Mitglieder: Gehe in dem Verein mit allen herzlich um. Du sollst deinen Bruder nicht darum geringer ansehen, weil er einen schlechteren Rock trägt als du. Sein Herz ist vielleicht umso besser. Das Christentum  sieht nicht auf die Schale, sondern auf den Kern. So gewinnst du durch Liebe und ehrbares Betragen und deine christlichen Menschenfreundlichkeit andre für den Verein. Sind diese Eigenschaften vorhanden, dann wird zielstarke Begeisterung und ein durch Liebe geschärf-tes Auge alle entdeckten Möglichkeiten zum Wohle des Vereinslebens ausnützen. Einem solchen Kolpingsohn dürfte es nicht schwerfallen, Kolpings Weisung zu befolgen: Wer Menschen gewinnen will, muß das Herz zum Pfande setzen. Zugleich aber bleibt er auch ein klarer Kenner menschliche Schwächen und Beschränktheiten, ist gern und freudig bei jeder Kleinarbeit.

Damit bin ich bei einem Kapitel angelangt, wo ich etwas länger verweilen möchte. Der Schwerpunkt aller Tätigkeit liegt ja für jeden Mitarbeiter auf diesem Gebiete. Nicht damit ist gedient, daß jeder glaubt, mehr oder wenig groß angelegte Reformen auszudenken, und meint, ständig mit der Sonder der Kritik arbeiten zu müssen; vielmehr beweist er wahren Opfermut und edle Gesinnung, im Kleinen getreu zu sein in dem gesteckten Rahmen seine Fähigkeiten zu verwerten suchen. Gewiß, nicht im-mer ist da eine Festtagsstimmung vorhanden, und der Alltag verlangt sein Recht. Da, liebe Gesellen, heißt es zu wachen, den in der Frage liegt das Geheimnis des Erfolges: Wie halte ich die Begeisterung wach? Ich meine nicht jenen Begeisterungsrausch, der sich bei dieser oder jener Kundgebung entzündet hat, und dem nur zu bald eine große Ernüchterung folgt; ich denke da vielmehr an jene Begeisterung, die der hl. Thomas als die Begeisterung des Willens bezeichnet. Diese ist es, die wir für unsere erfolgreiche Arbeit bitter nötig haben. Diese Begeisterung läßt den Verstand alle Schwierigkeiten bis ins Kleinste überlegen, geht aber dann zielbewußt vor und ruht nicht eher, als bis der Sieg errungen ist. Was du bist, das sei ganz; aber auch was du tust, das tue ganz. Mit Plänen ist da nicht gedient; tatkräftige Mitarbeit wirkt Großes (Lebensgrundsatz).

Wie oft häufen sich nicht die Schwierigkeiten, die ein großes Maß an Idealismus zu ihrer Überwindung fordern. Ich will es mir versagen, auf alles einzugehen und möchte nur einige Punkte herausgreifen.  Da ist vor allen Dingen das Verhältnis zum Präses. Ist er ein Mann, wie Vater Kolping ihn für seinen Gesellenverein verlangt, so ist das Mitarbeiten eine leichte und freudige Sache. Aber auch hier finden wir oft Licht- und Schattenseiten ungleichmäßig verteilt. Da heißt es, nicht aus Verärgerung die Flinte gleich in das Korn zu werfen. Vergessen wir nicht, daß das patriarchalische System, wie es uns Vater Kolping vermacht hat, dem Verein seinen Bestand für immer sichert. Ebenso wichtig ist es, das rechte Verhältnis zu den Mitgliedern zu finden. Es sollte ja eigentlich überflüssig sein, darüber zu sprechen, wenn nicht die Beobachtung des täglichen Lebens immer wieder zeigte,, wie oft selbst die einfachsten Gesetze des gesellschaftlichen Lebens außer Acht gelassen werden. Bedenken wir wohl, alles Wirken setzt Seelenkunde voraus. Wie haben gerade wir im G.V. Gelegenheit, praktisch zu erlernen, was in der Regel des hl. Benedikt gefordert wird, sich nach den Eigenarten vieler zu richten. Nicht so, als ob wir willige Sklaven der öffentlichen Meinung seien Gott verhüte das.

Sorgen wir dafür, daß alles Mißtönige aus dem Verkehr verschwinde. Vergessen wir es nicht, daß es der Ton ist, der die Musik macht. Goethe sagt einmal: Es gibt eine Höflichkeit des Herzens, und aus ihr entspringt die Höflichkeit des äußeren Betragens. Wie wir uns einerseits zu hüten haben vor einem polizeimäßigen Auftreten, so lasset uns andererseits dafür Sorge trage, daß keine ölige Freundschaft aufkommt, die sich nur deshalb so gibt, weil man äußerlich die Form wahren will, obwohl das Herz anders denkt. Solche Erscheinungen sind aber da unmöglich, wo alle ihr Kolpingsprogramm kennen. Hier muß eine Freundschaft vorherrschen, die Shakespeare in die Worte kleidet: Ein Freund, der mir…. <s.o.>

Und wie edel ist die Sprache eines Adalbert Stifter: Haß und Zank zu hegen oder zu erwidern, ist Schwäche; sie übersehen und mit Liebe zurückzuzahlen, ist Stärke.

Ich bin am Schluße. Ohne Freude, ohne wahre Begeisterung werden wir nicht weiter kommen. Sie ist die Sonne, die das Leben befruchtet, tränkt und reif <macht>. Und wenn wir die Menschen fragen, die Große vollbracht haben, sie werden mit dem Dichter Novalis sagen:

     Der ist Herr auf Erden / der ihre Tiefen mißt, der jeglicher Beschwerde / in ihrem Schoße vergißt.


Bistumsarchiv Hildesheim, Pfarrarchiv Groß Düngen St. Kosmas und Damian, III 110

Predigt zum 25. Jubeltag des Gesellenvereins Helmstedt, am 13.05.1928

Jeder von uns sei ein wackerer Streiter Christi!“

( 2 Tim. 2,3)

Meine lieben Gesellen!  Andächtige Christen!

Es ist etwas Herrliches um den Tau am Frühlingsmorgen, der an den Gräsern und Blumen leuchtet, als ob es Sternlein wären, die vom Himmel gefallen sind, um im Wiesengrunde neu aufzugehen. Schöner sind die Augen eines Kindes, aus deren klarer Sicht ein Himmel voller Unschuld lacht; noch erhabener mag es sicher sein, eine Jugend zu schauen, die hoffnungsvoll und froh über die Ruinen einer Mensch-heitsgeschichte mit wehendem Banner zieht, um das Neuland einer schöneren Zukunft zu erobern. Eine Jugend, die nicht das Wägen kennt, sondern nur das Wagen; nicht die Niederlage, sondern nur den Sieg. Eine Jugend, die Bekenntnis zur Wahrheit verkörpert, zum Glauben an die Zukunft; die nicht wie Lots Weib auf dem Brand von Sodom und Gomorrha zurückschaut, um im Anblicke göttlicher Strafgerichte zu versteinern, die nicht das Elendslied vom Untergang des Abendlandes anstimmt, sondern die wie einst Abraham beim Scheine untergehender Welten auszieht zum zähen mutigen Kampf; die ihr Kolpings- und Mannesbanner hissen und aufpflanzen über den Trümmern so vieler Reiche, über den Splittern zertrümmerter Thronen; die dem Unentthronten, dem Herrn auch der Demokratie ihren Soldatendienst anbieten. Ein kühner Bergsteiger hat diese Fahne christlicher Weltan-schauung einst aufgepflanzt vor mehr als 75 Jahren im Hl. Köln, der Priester und Jugendfreund Adolf Kolping, einer, der seinen Geist erfaßt hat, sie durch die deutschen Lande getragen überall dorthin, wo junge ideal gesinnte Männer sich fanden, auch hier nach dieser Stadt mit ihrem uralten Heiligtum St. Ludgerus. 25 Jahre wehte diese Kolpingsfahne als ein Zeichen des Kampfes um christliche Weltan-schauung, als ein Geschenk der Heimat, als ein Aufgebot des Dekalogs, der 10 Gebote über den Häusern und Straßen dieser Stadt. Heute nun an diesem Jubeltage kamen sie von nah und fern, die jungerblühende Generation, um sich mitzufreuen und neu zu stärken zum heiligen Krieg für Christen-tum und reine Sitte. Euch Fahnen, euch junge Männern, die ihr unter diesen Bannern wallt, gilt in dieser Feierstunde mein Gruß. Doch ihr sollt wissen, daß Kolpingjünger sein mehr bedeutet, als schöne Feste feiern. Diese Fahnen und unser gemeinsamer Gesellenvater will unter diesen Fahnen Männer sehen, die ringen um das dreifache Glück: um ein zufriedenes Herz, um ein treues Weib, und ein glückliches Heim. Sie versinnbilden den Geist und Soldaten Christi; und Kolpingsgeist liegt in der praktischen Betätigung des Kolpingprogramms, das da lautet: Christus ist unser Fundament, Arbeit unser Programm, die Familie die Form, der neue Mensch unser Ziel.

  1. Christus ist unser Fundament

Liebe katholische Jugend!  Ihr habt den Zusammenbruch, den beispiellosen Zusammenbruch einer äußerlich glänzenden, aber innerlich durchaus kranken Kulturepoche miterlebt. Die Donner der Geschütze des Weltkrieges waren schauerlicher Grabgesang eines ganzen Zeitalters der Weltge-schichte. Der Rembrandtdeutsche hat unheimlich klar gesehen, als er schon im Jahre 1900 den Untergang einer übersättigten Ära verkündete: Für jeden faulen Apfel kommt der Tag, wo er berstet. Auf dem Krankenblatt dieser Zeit schrieb ein fachkundiger Arzt: Wir Christen sind heute nur noch Talmichristen.  Die geschäftliche Tüchtigkeit wird nur allzu oft auf Kosten des Charakters gewonnen; unsere Bildung wurzelt im Kopfe, aber nicht im Herzen; dazu kommt der offen angestrebte Verfall des Familienlebens. Anstelle des einstigen christlichen Idealismus ist ein weit verbreitetes Augurentum getreten. Schule, Lehrzeit sind heute für den jungen Menschen vielfach deine Schule der Gemeinheit. Die jüngere Generation ist blassiert und altklug; das Geld ist bei 9/10 der Maßstab für die Beurteilung des Menschen geworden. Man spricht von des Menschen Macht, aber nicht von dessen Glück. Kolpingsjugend, hüte dich vor den Sünden der Väter! Der Untergang kam; jetzt sind wir im Übergang, im Werden einer neuen Zeit. Werdenot liegt riesengroß auf den Völkern unserer Tage. Die jetzige Jugend muß ihre Aufgabe erkennen, muß Saatgut werden für eine bessere Zukunft. Saatkorn aber muß vergehen, ehe die junge Saat aussprossen kann. Vergehen aber tut weh. Uns durchzucken heute alle Qualen schmerzlichsten Vergehens. Uns als Saatkorn in blutig aufgerissener Erde; das ist die bange Frage: Wie soll es besser werden? Wir Kolpingsjugend brauchen zur Lösung unserer großen Aufgabe Kraft, Ziel, Richtung! Bange fragt die Umwelt: Wächter, wie weit ist die Nacht? Da höre ich aus diesen Fahnen rauschen den Stundenschlag einer neuen Welt. Und mächtig höre ich´s: Christus soll wieder euer Fundament, Christus, Jugend, soll wieder dein König sein! Er ist allein der königliche Baumeister einer neuen besseren Welt.

Ein Staunen hebt an: Christus? Wer, der Galiläer? Der ist doch aber tot, den haben wir abgesetzt. Der lebt wohl noch in dem Dunkel der Kirchen und Kapellen, zwischen dem Gerümpel weihrauchduftender Sakristeien. Aber Lebensfundament, König, Ziel und Richtung, Fundament unseres Lebens, das kann er nicht sein! Wir haben ihn abgesetzt. 1799 steht auf seinem Grabstein. Damals in der französischen Revolution ward er getötet; und als er sein Haupt später wieder erhob, da gebrauchten wir ihn für unsere Zwecke als Reklamechef, als Massen- und Rassenbändiger. Im Weltkriege und heute hat die Wissenschaft und das Leben ihn wieder längst in ein tiefes Grab gelegt, das tiefer ist als das des Joseph von Arimathäa. Als Grabplatte liegt die Kritik vor seiner Ruhestätte, die kein Engel beiseite schleudern kann. Wir haben seinen Tod besiegelt mit der Meeresflut der Schriften, die bis ins letzte Haus seine Todesanzeige trugen und ihm die Herzen aller entfremdete. Er ist tot, endgültig tot.  Gemach, das stimmt nicht, das ist Unwahrheit. Wißt ihr nicht, wie Millionen und abermals Millionen auf dem weiten Erdenball ihm huldigen? Wißt ihr nicht, daß es bis zur Stunde Männer gibt, die für ihn sterben; Frauen, die ihm ihr Leben geben; Kinder selbst, die ihn verteidigen? Wißt ihr nicht, daß Scharen mexikanischer Martyrer mit dem Rufe: Es lebe Christus, der König! In den Tod gingen? Wißt ihr nicht, daß 84.000 junge Männer, als Kolpingssöhne, Christus als Fundament betrachten und auf ihn das Haus ihres Glückes einer frohen reinen Jugend aufbauen? Dieser Christus stand einst nicht in den Verlustlisten; auch nicht die Revolution hat ihn erschlagen. Über die Ruinen schritt er hinweg, der ewig junge Held. Was tobt ihr da draußen gegen Christus und die Kolpingsfahnen? Warum schreit ihr ein „Nieder!“, als man diese Kolpingsfahnen durch die Straßen der Reichshauptstadt vor wenigen Wochen trug? Warum drückt ihr Kindern Plakate am 1. Mai diesen Jahres in die Hand mit der Aufschrift: Nieder mit Gott! ? Warum tobt ihr gegen seine Fahne? Sie muß siegreich sein! Was vereinigt ihr euch, ihr ungleichen Brüder, um diese Christlichen Fahnen hervor zu holen? Gesellen, der König, der euch den Auftrag gegeben <hat>, sein Banner zu hissen, weiß euch auch gegen den Ansturm zu verteidigen. „Der im Himmel wohnt, lacht über all die Toren.“ Doch ihr, wie steht es mit euch? Seid ihr denn alle wirklich Christi Bannerträger, oder hat vielleicht der Geist der Umwelt abgefärbt auf dich? Dann, Kolping-jugend, besinne dich deiner Jugend! Diese Kolpingsfahnen zeigen dir einen Mann, den es beim Anblick von Jammer und Not nicht mehr in seiner Schusterstube hielt, der sein Leben diesem Christus widmete. Du bist sein Obmann.

  1. Arbeit ist unser Programm

Meine lieben jungen Freunde! Enger gilt es sich um diesen Christus zu scharen. Über dem Chaos unserer Tage soll und muß der Christusgeist aufleuchten, damit wieder Kosmos, harmonische Ordnung werde. Friede, Freude, Sittlichkeit, Ehrfurcht und Arbeitsamkeit. „Schön reden tut nichts, die Arbeit ziert den Mann.“ Jeder von uns sei ein wackerer Arbeiter Christi. Arbeiten heißt mehr als Brot verdie-nen. Was kannst du? Arbeiten heißt Teilnehmen an dem Schöpfungswillen Gottes. Was bist du? Was ist dein Beruf? Siehe, den sollst du ausüben: zu Gottes Ehr und zum Heile deiner Mitmenschen sollst du den letzten Hauch von Kraft daran setzen, zu dienen, zu dienen. Was kannst du? Verfügst du nicht über Fähigkeiten, die du noch nie in den Dienst einer großen heiligen Sache gestellt hast, einer Sache, die mit Gott und Menschenseelen zusammenhängt? Dann mußt du halt, so hör ich den Gesellenvater sprechen, aus deinem verborgenen Lebensgärtlein heraustreten, mußt aktiv werden; es muß dich drängen, mit deiner Arbeit dabei zu sein, wo Priester und Erzieher im heiligen Kampfe stehen; mußt nicht bloß da sein, wenn elegante Feste in deinem Verein und sonst wo gefeiert werden, sondern auch dabei sein, wenn erstere Dinge besprochen und bearbeitet werden. Laß dich in deinem Berufe und wo immer der Schöpfer dich auf den Posten gestellt hat, von dem Gedanken leiten: Ich will ganze Arbeit leisten, keine Stümperei, nicht bloß dann, wenn ich mich beobachtet weiß, oder Lohn und Lob zu erwarten habe. Wir können heute nicht mehr der Menschheit imponieren durch Stärke im Rauchen und Trinken, durch schneidige Kleidung und Vagabundentum, sondern nur durch edle Berufsarbeit. Das ist das Kampffeld, ihr Jungmänner für unsere Arbeit. Ohne Hingabe an euren Beruf zersplittert und zerflattert ihr. Ganze Arbeit hat auch heute noch ihren goldenen Boden. Das gibt wieder einen ganz anderen Halt in unseren Reihen als Gut Heil, Gut Ball, Gut Holz usw.  Wisset, das rufen euch diese Fahnen zu: weder Gold noch Palast schützen vor Gesinnungsrohheit, aber ebenso wenig ist der Arbeitskittel von vornherein das Zeichen eines rechten Arbeitsmannes.

Meine lieben Gesellen! Die Fahnen reden weiter, sind ein Aufruf zu echt christlichem Familiengeiste. Was nützt alle Masse; was nützen alle Festzüge? Was nützt es, daß wir in den letzten Jahren hier im  Braunschweiger Land Kirchen gebaut und neue Seelsorgestationen eingerichtet haben? Was nützt das alles von außen gesehen, wenn die Zelle, der innere Mensch, die Familie nicht gesundet? Wen in den Familien Gottes Gebote einfach beiseite geschoben werden; wenn junge Leute sich bei jeder passen-den oder unpassenden Gelegenheit berechtigt fühlen, am Sonntag die hl. Messe zu versäumen, wenn die neuen Familien nicht vom Segen des Christus und Königs begleitet sind? Allerhand Bünde und Gesellschaften bieten dem jungen Manne sich an; und wenn dazu die Sinnlichkeit geweckt, dann treibt ihn allzu früh der Gesellschaftstrieb in die Arme des Mädchens. Eine unheimliche Macht können solche Bande über den jungen Menschen gewinnen. Und statt einer edlen Ausbildung des Gemeinschafts-dranges verderben sie diesen und nehmen ihm die wunderbare Kraft, die zu Ehe und Familie, zum Wachstums des Menschengeschlechtes führt. Drum tritt Kolping dem jungen Mann in seinem Gesel-lenverein in Form der Familie entgegen. O Jugend, die du heute noch im Lenz des Lebens stehst, die du rosig und golden in die Zukunft blickst, du bist dazu berufen, wenn der Väter Kraft gebrochen ist, für diesen echten Familiensinn im Geiste Christi einzutreten.

Gesellen, die Fahnen reden zu euch Gesellen, diese Fahnen reden zu euch von dem großen Ziele des  anstreben? Mit St. Franziski Wort will ich es dir sagen: Ein jeder sei ein Herold des großen Königs! Wir müssen uns unserem Volke verpflichtet fühlen. Wir haben Goldschätze geistiger Art. Heraus damit! Wehe den Faulen, wehe den Satten! Wir müssen zur Offensive übergehen, auch hier in der Diaspora, wenn wir Neuland erobern wollen. Wir müssen den wetteifernden Nachtwächtern die Kraft katho-lischer Ideale vorleben. Heraus aus der Enge der Kammern , heraus aus eurem sich schämenden Christentum! Zu großen Leistungen für Kirche und Staat. Wir brauchen heute Kolpings und Christi Königsritter in den Familien, im Schulkampf, im Pressekrieg, zur Bekehrung der roten, schwarzen, gelben und auch der weißen Heiden. Es geht freilich nicht ohne Golgotha ab. Wir müssen halt mit unserem Führer über den Kidronbach gehen. Nur aus dem Kreuze kann Ostern kommen.

Ihr alle aber hört an diesem Jubeltage unseres großen Führers Bitte. Hört den Ruf, der wieder zum Vaterhause ladet. Ihr alle, die ihr einst mit gleichen Fahnen unter den Christusfahnen auf dieser Flut startet. Dann riß der Sturm euch von diesen Planken. Die Mißehe fraß euch auf; die kirchenfremde, geistlose Welt riß euch in den Abgrund. Gedenkt an diesem Tage des Vaterhauses, dem ihr entflohen <seid>. Seht ihr diese Fahnen? Wird es euch nicht heiß um die Schläfen und pocht euer Herz nicht in neuem Schlage? Fasset heute diese Kolpings- und Christusbanner immer fester. Ich gebe sie euch in die Hand. Über die Häuser, über die Zäune, über all die Sakristeien unserer Kirchen recke ich die Hände zu euch. Kommt zurück! Der Gesellenvater mit seinem Christusgeist wartet. Ihr Fahnen unseres Königs, ich rufe euch, flattert über all den geist- und sinnlosen Fahnen, über all den roten Fahnen, getragen von Gesellenfäusten. Die Linke fasse das Schwert, die Rechte diese Banner und aufwärts sei der Blick gewandt. Kämpfe als ein guter Kriegsmann Christi!

Amen.

Vortrag im Gesellenverein Wolfenbüttel  am 11.12.1930

Thema:   Der katholische Gesellenverein und die deutsche Jugend.

Wenn sich Kolpingssöhne treffen in der weiten Welt, dann ist das erste, daß sie die Hände ineinander legen, sich gegenseitig als Bruder erkennen, und daß sie sich eins fühlen in der weiten Kolpingsfamilie. Wenn wir aber eine solche starke Einheit sind und sein wollen, wenn wir so eng das Band um uns schlingen, so soll dies nicht bedeuten, daß wir andere vielleicht verachten und uns mehr dünken als unsere Brüder im deutschen Volk. Nein, wenn wir vom Gesellenverein und deutscher Jugend reden, dann grüßen wir zunächst einmal die ganze deutsche Jugend. Wir fühlen uns mit ihr verbunden, als Volks- und Schicksalsgemeinschaft, als solche, die mit uns verantwortlich eintreten für die Zukunft unseres deutschen Volkes. Über 4 Millionen jugendlicher Menschen in Deutschland, in ungefähr 100 Verbänden und Bünden haben sich allein im Reichsausschuß der deutschen Jugendverbände zusam-men geschlossen. Darüber hinaus gibt es noch so manche Organisation , die nicht auf dem Boden der heutigen Staatsform steht, so daß wir sagen müssen, beinahe jeder Jugendliche ist in einem Verein, einem Bund und wirkt so mit an der Gestaltung der Zukunft.

Ja, auch wir von Gesellenverein glauben, daß uns für die Gestaltung der Zukunft der Jugend eine besondere Bedeutung zukommt. Das hat uns nicht erst die Jugendbewegung gelehrt; das hat schon Adolf Kolping verkündet, als er sagte, daß des Volkes Glück in der persönlichen Tüchtigkeit und seine Zukunft in der Jugend liege. Das Wort gilt für alle Zeiten. Das Wort aber gilt besonders in der heutigen Zeit, da die deutsche Jugend belastet ist mit den Nachwirkungen des Krieges und die Lasten des Young-Planes von ihr abzutragen sind. Unsere Jugend muß den Mut und die Kraft, aber auch die Einsicht und den Wirklichkeitssinn beweisen, die notwendig sind, um einst Deutschland wieder groß sein zu lassen im Rate der Völker. Diese Aufgabe wird auch instinktiv von der Jugend erfaßt. Selten ist die Jugend so lebendig gewesen, so geistig aufgeweckt, so zum Handeln bereit, wie in unseren Tagen. Von der äußer-sten Linken bis zur äußersten Rechten sehen wir im deutschen Parteienlagen die Jugend stehen; und so verschieden auch die Mittel und Weg sind, so ehrlich ist doch nach der festen Überzeugung aller einsichtigen Kreise der Wille, etwas Rechtes zu schaffen für Volk und Vaterland. Deshalb begrüßen wir auch in dem jungen Kommunisten und Nationalsozialisten den deutschen Bruder, von dessen ehr-lichen Willen wir überzeugt sind, bis er das Gegenteil beweist. Freilich wenn wir den Gruß in die von uns getrennten Lager hinüber schicken, dann tun wir Gesellen das nicht, um uns anbiedern zu wollen. Gewiß sind wir bereit, uns geistig mit ihnen auseinander zu setzen, aber wir wollen nicht Menschen, die anderer Meinung sind, zu uns herüber locken mit süßen Schmeicheleien. Eins jedoch verlangen wir, daß man nicht nur unsere Eigenart, sondern unseren ehrlichen Willen ebenso rückhaltlos anerkennt, wie wir das tun. Wir Gesellen lassen uns von keinem Sozialisten als weniger sozial und von keinem Nationalsozialisten als weniger national erklären, wie sie zu sein behaupten. Wodurch wir uns von ihnen unterscheiden, das ist die katholische Grundhaltung, aus der wir Ziel und Maß und Kraft unserer Aktion gewinnen. Der katholische Glaube ist für uns gleichsam die besondere Stellung, die wir bezie-hen, und von dieser Stellung aus betrachten wir die Dinge in der Welt.

Unsere katholische Grundhaltung

Wenn wir katholisch, d.h. allgemein sagen, so sehen wir vor uns nicht einzelnes Land, sondern wir sehen vor uns die Welt mit ihren Völkern. So bewahrt uns die katholische Einstellung davor, gleichsam mit nationalen Scheuklappen durch die Welt zu rennen und links und rechts nichts anderes zu sehen. Wer ausgerechnet seine Rasse in ihrer Blutzusammensetzung als die  e r s t e  Rasse der Welt erklärt, der kommt mir beinahe vor wie der Gockel von Tuntenhausen, der keine Konkurrenz auf seinem Mist-haufen gelten läßt. Der Gesellenverein hat vielmehr seine Aufgabe von vornherein darin gesehen, seine Kulturgedanken über die deutschen Grenzen zu tragen. Und was keiner anderen Jugendorga-nisation gelungen ist, ist ihm geglückt, seinen Ideen und seinem Führer Adolf Kolping Eingang zu verschaffen in die Herzen einer fremdländischen Jugend, die auf diese Weise lernen, Ehrfurcht zu bekommen vor seinem Geistesgut. Welch völkische Organisation hat das bis jetzt uns nachgemacht?

Wenn ich sage katholisch, dann schaue ich aber nicht nur vor mir die Welt, dann sehe ich über der Welt Gott. Darum gibt es für uns kein Paktieren mit solchen Richtungen, die Gott bekämpfen, oder auch Gott behandeln als Luft. Wenn man in Rußland Karl Marx und Lenin zu Propheten, das Kapital zur Bibel und die Maschine zum Symbol höherer Gewalten macht, dann können wir nur voller Mitleid vor solch einem Götzendienst stehen, der vergessen hat, daß das erste Gebot heißt: Ich bin der Herr, dein Gott; du sollst keine fremden Götter neben mir haben. Aber auch wenn man die Religion nicht be-kämpft, sie zum Privatgut erklärt, und die Menschen so erzieht, als wenn die Religion keinen Wert darstelle, als wenn Gott nicht da wäre, dann gibt es für uns keine Neutralität; dann gilt für uns das Wort: Wer nicht für mich ist, ist wider mich. Darum Kommunisten und Sozialisten: Wir wissen es als Gesellen wohl, daß ihr weiterhin arme, leidende Menschen seid; weil ihr aber an den Herrgott rührt, darum gibt es für uns mit euch keine geistige Gemeinschaft.

Um Menschenwürde in Wirtschaft und Gesellschaft

Wenn wir katholisch sagen, dann sehen aber nicht nur Gott und die Welt; dann sehen wir auch den Bruder. Die moderne Zeit sagt, daß sie den Menschen entdeckt habe. Wir geben gerne zu, daß im Rausch der Entwicklung der Mensch unter die Räder zu geraten droht. Man sah nur noch Wirtschaft und dacht nicht daran und denkt auch heute oft noch nicht daran, daß die nicht nur da sind, um etwas herauszuholen, um sie einzuspannen und anzutreiben, damit die Produktion wachse, sondern daß der Mensch über diesen steht. Und auch für den Staat waren die Menschen allzu lange nur da als Unter-tanen und Soldaten. Es ist ganz bezeichnend, daß in dem Augenblicke, wo man entdeckte, daß die Militärtauglichkeit zurückging, einem einfiel, daß man sich auch um den Menschen kümmern müsse. Hier hat in der Tat die neue Zeit eine große Wendung gebracht, indem man den Menschen mit seinen körperlichen und seelischen Bedürfnissen, mit seinem Fühlen und Leiden einmal wieder in den Mittel-punkt der Betrachtung stellte. Aber einer, der diese Änderung mit in hervorragender Weise hat herbei-führen geholfen, ist Adolf Kolping der sich dem Menschen wieder zuwandte, ihm Haus und Heimat gab, der auch die Armen wieder vollberechtigt stellen wollte in die Reihen der Volksgenossen. Die Christen hätten diese Lehre nicht vergessen dürfen. Christus hat sie belehrt: Einer ist euer Vater im Himmel, Ihr aber seid untereinander Brüder.  Wenn trotzdem auch für den Christen der Mann von Adel und Titel mehr gilt, wenn man sich auf Grund irgendeines Besitzes höher dünkt als seine Mit-menschen, wenn man den armen Teufel gern übersieht, aber sich heranmacht an den, der etwas bedeutet und etwas gilt, dann ist der volle christliche Geist nicht da; dann müssen wir noch kämpfen, auch heute noch um die ehrliche Anerkennung alles dessen, das da Menschenantlitz trägt. Und diese ehrliche Anerkennung muß sich in praktischen Taten umsetzen, Bildung und Kultur, Freiheit und Ehre für jedermann, auch für den untersten Mann im Volk.

Für wirtschaftliche Volksgemeinschaft

Wenn ich aber Bruder sage, dann sage damit Verbundenheit und Gemeinschaft. Kolping hat uns nicht bloß auf den Menschen als Menschen aufmerksam gemacht, sondern vor allem auf den Menschen als soziales Wesen, als Glied im Ganzen, eben als Bruder im vollen Sinne des Wortes. Dieser gesellschaft-liche Charakter wird in der heutigen Zeit vor allem durch die Wirtschaft uns deutlich gemacht. Heute ist es nicht mehr so, daß der einzelne auf seiner Scholle sitzt und hier wirtschaften kann, wie er will, ohne abhängig zu sein von seinem Nachbarn. Selbst der Bauer kann sich heute nicht mehr allein durch-ringen. Wie ganz anders aber ist es heute im Handwerk und Industrie. Hier haben wir in der Tat eine gewisse gesellschaftliche Kollektivwirtschaft. Ich bin als Arbeiter eingespannt in die Wirtschaft meines Volkes, bin abhängig von ihrem Blühen und Vergehen. Ja, wenn du es nicht glauben willst, daß du nur ein Glied bist im großen Ganzen, die Arbeitslosigkeit unserer Tage hat wohl auch dem eingefleischten Privatmann klar gemacht, daß es heute eigentlich keine Privatleute mehr gibt, sondern nur Glieder, Volksgenossen, Brüder. Weil aber heute eine derartige wirtschaftliche Verflochtenheit besteht, dann darf nicht zugleich in der Wirtschaft jener privatkapitalistische Geist bestehen, der seine Tätigkeit nur mißt an dem Erfolg, den er davonträgt. Wenn ich in den höheren Kreisen unseres Volkes als selbstver-ständlich betrachtet sehe, daß man seine Tätigkeitsich möglichst gut bezahlen läßt und man die Ämter wechselt je nach finanziellem Angebot, so ist dieser Geist mit dem Kollektivgeist der modernen Wirtschaft recht schlecht zu vereinbaren. Auch in diese Kreise muß der Dienstgedanke hinein; sonst ist es nicht möglich, den Arbeiter zum Dienst an der Wirtschaft zu interessieren.

Gemeinschaft und Freiheit im Staat

Wenn ich Bruder sage, dann sage ich, wie ich bemerkte, Gemeinschaft; ich sage aber nicht Unifor-mierung, Masse. Wir wollen vielmehr Freiheit in der Gemeinschaft. Die Gemeinschaft, in diesem Falle der Staat, hat in der heutigen Zeit Sorge genug, wenn er die Sicherheit der einzelnen Volksgenossen zu sichern sucht. Die geistigen kulturellen und sittlichen Güter zu pflegen, soll die Gemeinschaft möglichst dem Volksgenossen selbst und ihren feien Verbänden überlassen. Hier dürfen der persönlichen Ver-antwortung keine engen Grenzen gesetzt werden. Hier muß vielmehr das Selbst des Standes und des einzelnen Mannes in aller Stärke betont werden. Ich sehe in diesem Drang zum Selbstbewußtsein und zur Persönlichkeit bei einer immer stärker werdenden wirtschaftlichen Verflochtenheit eine Selbsthilfe der Menschennatur gegenüber einer mechanischen Vermassung. Darum müssen wir diesen Geist bewußt pflegen; darum sollen sich die Gesellschaftsorgane nicht entsetzen über den Freiheitsdrang der Jugend, sondern sie sollen sich freuen, daß hier noch Kraft sich regt. Die sogenannten ruhigen Bürger würden einfach von der Vergesellschaftung mit fort gerissen. Nur dann, wenn ein stolzes Geschlecht dasteht, wird es gegen die Vermassung sich wehren, wie wir sie in Rußland schaudernd erleben.

Wir schützen die Quellstätte des Volkes

Menschenwürde, Freiheit und Gemeinschaft bilden das geistige Fundament, auf dem wir den Aufbau unseres Volkes gründen möchten. Im Sinne dieser geistigen Einstellung hat der Gesellenverein sich in Wien zu den Forderungen Familie, Demokratie und Völkerfrieden bekannt. Damit steht am Anfang unserer sozialen Tätigkeit die Familie. Wir wissen wohl, daß so viel über den Niedergang der Familie geredet wird. Wir haben aber so viel Optimismus, daß nicht so sehr ein Niedergang als eine Verände-rung der Familie sich vollzieht; denn die Familie ist etwas, das so stark in die Natur des Menschen eingepflanzt ist, daß es einfach nicht zerstört werden kann. Es kommt nur darauf an, den ewigen Gedanken in der Familie zu erfüllen. Für uns ist und bleibt die Familie die Quellstätte des Lebens und die erste Bildungsstätte. Daran ändert kein Karl Marx und kein Lenin etwas. Nach der anderen Seite betrachtet ist die Ehe für uns Liebes- und Lebensgemeinschaft. Daß diese Seite der Ehe und Familie große Aufgaben mit sich bringt, ist klar; darum geht der Gesellenverein darauf aus, Gemeinschafts-menschen zu schaffen, die auch fähig sind, eine Lebens- und Liebesgemeinschaft zu führen. Darum ist der Gesellenverein Familie, damit familienhafte Menschen daraus hervorgehen. Wir sehen es als einen Gewinn an, wenn heute die Menschen nicht mehr zueinander gekoppelt werden, oder weil es, wie z.B. jetzt in Italien, zur Erweiterung der Macht geschieht. Mit der sogenannten bürgerlichen Besitzfamilie haben wir nichts zu tun; sondern wir wollen Menschen heranziehen, die in freier Verantwortung, getragen von ihrer Liebe, sich binden und die mit Gottes Hilfe sich für stark genug erachten, ihre Liebe auch Wechselfällen des Lebens gegenüber zu verteidigen. Wir wissen, daß diese Aufgabe groß ist und ein Risiko mit sich bringt; aber wir glauben daß unsere Jugend auch noch genug Kraft und Idealismus hat, um sich an die große Aufgabe heranzumachen.

Wir kämpfen für wehrhafte Demokratie im Staate.

Aus Familien, die vom echten Gemeinschaftsgeist getragen sind, sollen nach unserer Auffassung Menschen heranwachsen, die auch Gemeinschaftsgeist im Volke üben. Wir sind davon überzeugt, wenn der reine Geist in den Familien herrscht, dann werden auch Menschen heranwachsen können, die in Freiheit sich an die im Leben so notwendige Ordnung binden. In diesem Sinne bekennen wir uns zur Demokratie als der freien Menschen am meisten gemäßen Ordnung des öffentlichen Lebens. Deshalb lehnen wir jede Diktatur ab. Wir wollen weder eine Diktatur der Masse noch der Klasse oder Rasse. Wer da meint, heute nur mit Gewaltmethoden regieren zu können, der kann auf unsere Unter-stützung nicht rechnen. Das soll aber nicht bedeuten, als wenn wir uns nicht zu einer strengen Autori-tät bekennen würden; nein, auch wir wollen Führung, wir wollen sogar eine starke Führung. Wir wollen, daß regiert werde; wir wollen treue Gefolgschaft denen leisten, die ehrlich ihres Amtes walten und uneigennützig dem Volke dienen. Aber wir wollen nicht mehr als Untertanen behandelt werden, für die nur ein Gebot gilt: Ruhe, in dem Sinne: Ruhe ist des Bürgers erste Pflicht. Wir sagen mit Be-wußtsein: Wir sind der neue Staat! Nur wenn dieser Geist alle Deutschen erfüllt, dann wird Deutsch-land die Kraft aufbringen, die es ihm ermöglicht, angesehen da zu stehen. Hier ruft eine große Kultur-mission; das entwaffnete Deutschland kann der Welt zeigen, daß man mit moralischen und geistigen Waffen auch in der Welt Triumphe, und zwar dauernde Triumphe feiern kann.

In diesem Sinne kämpfen wir um den Frieden in der Welt.

Jeder, der den Krieg noch miterlebt hat, der kann es als ein heiliges Gebot betrachten, für den Frieden unter den Völkern einzutreten. Wer aber glaubt, noch dauernd heute im Kriegsgewande umherziehen zu müssen, wer da mit den Waffen prahlt, ich weiß nicht, ob der sich nicht versündigt gegen die blutige Lehre, die Gott der Herr in vier blutigen Kriegsjahren uns vorgepredigt hat. Die katholische Jugend lehnt deshalb alle Kriegsspielerei ab, auch alle Schießerei, die über das sportliche hinausgeht, auch wenn bei uns Jugendgruppen sich finden, die glauben, für innerpolitische Auseinandersetzungen sich militärisch rüsten zu müssen; das ist nur als modernes Raubrittertum anzusehen. Wenn wir jedoch für den Frieden eintreten, dann kann man dies nicht als eine elende Verweichlichung ansehen, denn der Kampf für den Frieden ist mindestens so schwer, wie der Kampf für den Krieg. Ich will durchaus nicht leugnen, daß der kriegerische Kampf sein Großes hat und dieses Große sehe, daß die Menschen den Mut haben, das Leben einzusetzen. Unsere Friedenskämpfer müssen auch diesen Mut aufbringen, sonst werden die Kriegskämpfer stärker sein als die Friedenskämpfer. Auch den Gedanken der Wehr-haftigkeit dürfen wir nicht ablehnen, wir müssen ihn bejahen. Wir wollen wehrhafte junge Männer, die im Vollbesitz ihrer Körperkraft sind, die auf dem Sportplatz ihren Körper gestählt haben und die Wert darauf legen, so stolz und schön zu sein wie die Buchen und Eichen unserer Wälder. Aber diese Menschen sind uns zu schade dazu, daß sie vom Gas vergiftet, von der Fliegerbombe dahingesteckt, von der Granate zerrissen werden, bloß nur wahnwitziger Kriegsideen halber. Wenn diese Menschen kämpfen, dann sollen sie den freien, offenen Kampf des freien Mannes kämpfen, um den Frieden zu mehren, dem Unfrieden zu wehren.

Das sind die Grundideen des katholischen Gesellenvereins für die Öffentlichkeit. Welch Aufgaben daraus erwachsen, das wird uns die Zeit lehren, denn auch diese ist eine Offenbarung Gottes. Deshalb sehnen wir uns nicht nach früheren Zuständen zurück. Was einmal gewesen, kehrt nie wieder; denn die Geschichte kennt nur ein Einmaliges. Wir suchen uns auch nicht aus den Büchern fertige Systeme heraus, in die wir die Welt hinein zwängen wollen. Denn der Herrgott holt sich seine Weisheit sicher nicht aus den Köpfen der Philosophen und Theologen. Wir müssen aber horchen, was er uns durch die Weltgeschichte sagt. Darum leben wir auch nicht vom Protest. Wer dauernd protestiert und schimpft, beweist nur, daß er das Leben nicht mehr in der Hand hat, nicht fähig ist, das Leben zu gestalten, daß er nur polternd hinter dem Leben herläuft. Kolping hat an den Anfang seines Werkes das Wort Tat ge-stellt, das ist tätige Liebe; und schon zu Zeiten des Gesellenvaters sagt ein Zeitgenosse Jarke, daß der Gesellenverein die einzige Tat gewesen sei, obwohl gar viel vom Katholizismus geredet worden sei. Und das soll auch unser Programm in Zukunft sein. Wir wollen nicht protestieren gegen das, was andere tun, sondern wir wollen das Leben so gestalten, daß die Menschen so werden, wie wir sie sehen möchten. Eine gewaltige große Aufgabe steht da vor uns. Eine in ihrer Zahl stark verringerte deutsche Jugend steht in den nächsten Jahren vor uns. Da muß nicht protestiert, da muß geworben werden. Immer geistig und lebendig, denn die Zeit schreitet rasch voran; gehen wir nicht mit, dann geht sie mit uns über uns hinweg. Mit diesem Streben aber müssen wir verbinden:

Den Mut zum geistigen Kampf.

Wenn unser Kolpingsbanner uns voranleuchtet, dann soll das K unseres Banners uns an unseren Führer erinnern, unsere Gegner aber sollen auch sehen, daß das K auch Kampf, auch Katholizismus bedeuten kann. Mit dieser Haltung treten wir Gesellen auf dem Kampfplatz der deutschen Jugend. Jugend von heute – Volk von Morgen. So wollen wir durch unsere Jugend ein glückliches Volk schaffen, ein Volk, das unter den Völkern der Erde stolz dasteht in Gottes Sonnenschein und das die Hand reicht allen Völkern auf Erden, weil es weiß, daß ob allen Völkern wohnt der eine große Vater über dem Sternenzelt.