Volles Haus: 30. Duderstädter Gespräche waren erfolgreich
Generalpräses diskutierte mit Politikern über die Ethik der Digitalisierung
Duderstadt. Normen, Werte, Ethik und Theologie im digitalen Zeitalter bildeten den Mittelpunkt der 30. Duderstädter Gespräche auf dem Pferdeberg. In der abschließenden Podiumsdiskussion ging es unter anderem um rasante Entwicklungen und um Ethikfragen.
„Wir befinden uns in einem Zeitalter des permanenten Wandels“, sagte Markus Sauerhammer, Vorsitzender des Vereins Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland. „Veränderungen laufen viel schneller und radikaler ab als in der Industrialisierung“, befand auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Falko Mohrs aus Wolfsburg. Und eines sei sicher: „So wenig wie die Weber die Industrialisierung durch Verbrennen der Webstühle aufhalten konnten, so werden wir auch nicht die Digitalisierung aufhalten.“ Die Politik könne immer nur den Rahmen schaffen, ergänzte sein CDU-Kollege Fritz Güntzler, der aber auch selbstkritisch hinzufügte, dass die Politik in Deutschland es ein bisschen habe laufen lassen. Es müsse jetzt umgehend Entscheidungen geben. Mit der Daten-Ethik-Kommission solle es nationale Regelungen geben. Doch reicht das? Denn im Netz laufe alles international.
Die 30. Duderstädter Gespräche haben die Tradition in eine neue Zukunft geführt. „Wir haben in diesem Jahr Duderstädter Gespräche in einer anderen Art und Weise erlebt“, sagte Andreas Bulitta, Diözesanvorsitzender des Kolpingwerks Hildesheim. Seien die Gespräche immer schon sozialkritisch gewesen, so seien in diesem Jahr Themen behandelt worden, „die uns auch persönlich betroffen haben“. Zudem verwies Bulitta auf die neue Aufmachung, für die Diözesansekretär und Organisator Mirco Weiß verantwortlich zeichnet, was sich unter anderem am neuen Bühnenbild deutlich machte. Auch 2019 bot die Veranstaltung ein hoch aktuelles Thema, doch erstmals ging es ausgesprochen geisteswissenschaftlich zu. Allerdings nicht zu verkopft. Jörg Peine-Paulsen vom Niedersächsischen Verfassungsschutz bot am Mittwoch und Donnerstag auf sehr launige und kurzweilige Weise dar, wie Cyber Crime und Wirtschaftsspionage funktionieren.
Erstmals war auch ein direkter Nachfolger des seligen Adolph Kolpings Gast der Duderstädter Gespräche: Generalpräses Msgr. Ottmar Dillenburg, neunter Nachfolger Kolpings, machte sich trotz Karneval auf den Weg aus Köln, um am dritten Tagungstag den Hauptimpuls zu geben. Der technische Zugang für alle mit hohen Standards sollte schnell umgesetzt werden, forderte Monsignore Dillenburg. Wichtig sei, die Technik allen Menschen zur Verfügung zu stellen. Dafür müssten Gelder freigeschaltet werden. Geldmangel gebe es nicht, sagte Güntzler. Menschen zu befähigen, dass sie mit der gesamten Datenmenge umzugehen wissen, sei eine der größten Herausforderungen. Doch wer solle es zum Beispiel den Schülern beibringen? fragte Msgr. Dillenburg. Dazu müsste es nach Auffassung von Mohrs eine Qualifizierung von Lehrkräften geben, ebenso müssten die Lehrmittel angepasst werden.
Wissenschaftlich und trotzdem praxisnah waren die Vorträge von Dr. Sabine Wöhlke (Universitätsmedizin Göttingen) über die Ethik in Biologie, Medizin und Forschung, sowie der Vortrag von Professor Joachim Valentin (Direktor der renommierten katholischen Akademie Haus am Dom in Frankfurt a.M.) über die theologische Bedeutung von Kommunikation. Valentin erläuterte, dass Institutionen auf Facebook und anderen Social Networks an Glaubwürdigkeit verlieren, Einzelpersonen jedoch noch als glaubwürdig gelten. Er appellierte an die Teilnehmer, ihre Multiplikatorenrolle im Netz wahrzunehmen und in den sozialen Netzwerken offen über ihren Glauben und ihre Überzeugungen zu reden.
Als erfrischend und bereichernd haben die rund 90 Teilnehmer der Duderstädter Gespräche auch den Vortrag von Felix Neumann beschrieben. Neumann ist Journalist, Verbandskatholik (KJG), verantwortlicher Redakteur bei katholisch.de und Mitglied der Expertengruppe „Social Media“ bei der Deutschen Bischofskonferenz. „Fachleute reden heute nicht mehr von Digitalisierung, sondern von Digitalität“, so Neumann. „Denn es handelt sich nicht mehr um einen Prozess, sondern um einen Fakt“. Er beschrieb, dass heute zahlreiche Seelsorgegespräche in Internetforen wie Chefkoch.de oder gutefrage.net stattfänden. „Wer als kirchenferner Katholik Fragen zur Taufe seines Kindes oder zur kirchlichen Trauung hat, googelt und landet zum Beispiel bei gutefrage.net. Dort stellt er seine Frage und bekommt Antworten. Wie gut wäre es, wenn dort auch Menschen mit Qualifikation Auskunft geben könnten“. Pastorale Mitarbeiter und Priester müssten auf solchen Foren unterwegs sein, um derlei Fragen abzufangen und kompetent zu beantworten. „Wenn sich eine Sterne-Köchin aus dem Forum chefkoch.de verabschiedet und dies mit ihrer Krebsdiagnose begründet, beginnen auf diesem Internetforum tiefe, seelsorgerische Gespräche“, so Neumann. Sein Appell: Dort zu sein, wo die Menschen sind.
Einen Appell hatte auch Wolfgang Nolte. Der Bürgermeister von Duderstadt (seit 1962 für das Rathaus tätig!) geht im Herbst in den Ruhestand und war daher ein letztes Mal als Bürgermeister dabei. Er appellierte, 2020 eine Sonderveranstaltung zur Deutschen Wiedervereinigung zu konzipieren und dazu die politische Elite einzuladen.
Am Ende, auch das war neu, spendete der Generalpräses des internationalen Kolpingwerks allen Teilnehmern den Reisesegen.